Sayuri
vermutlich am Lager auf sie warten.
Kurz darauf verschwanden die Zentauren lautlos zwischen den Bäumen. Marje rief Shio mit einem Winken zu sich. Das Irrlicht schwebte auf ihren Kopf hinab und machte es sich zwischen ihren Locken bequem, die vom Wind des schnellen Ritts noch ganz zerzaust waren. Den Arm um Sayuri gelegt, beeilte sie sich, Suieen einzuholen, der bereits losgegangen war.
Der Weg über die Dünen schien Marje unendlich lang, obwohl es kaum hundert Schritte sein mochten, bis sie die erste Anhöhe erreichten. In der Ferne konnte man ein paar schwache Lichtpunkte erkennen. Als sie die zweite Sanddüne erreichten, hatten sie bereits einen guten Blick auf das Lager, das in einem der nächsten Täler lag. Auf den Wachtürmen, die die Söldner errichtet hatten, waren Leuchtfeuer zu erkennen.
Yuuka kam aus einer Bodensenke auf sie zu, schlich einmal um Marje und Sayuri und blieb dann an Suieens Seite stehen. »Macht euch keine Hoffnungen. In dieses Lager kommt nicht mal ein Windhauch hinein, ohne dass die Essjiar und ihre Söldner es merken.«
Marje biss die Zähne zusammen.
Yuuka knurrte. »Mit ein paar Söldnern hätten wir leichtes Spiel, aber die Essjiar sind an den Wachtürmen postiert, sodass niemand unbemerkt das Gelände betreten, geschweige denn es verlassen kann. Wer in diesem Lager drin ist, wird dort auch sein Ende finden.«
Suieen ließ seinen Blick nachdenklich über die Sanddünen schweifen, dann schüttelte er langsam den Kopf. »Yuuka hat recht«, sagte er schließlich. »Es ist aussichtslos.«
»Aber wir haben doch bisher kaum etwas gesehen«, protestierte Marje.
Sayuri lehnte sich schwer gegen sie. Sie schien noch immer halb zu schlafen. Vorsichtig ließ Marje sie auf den Boden gleiten und faltete Kiyoshis Umhang zu einem Kopfkissen zusammen, das sie ihrer Freundin unter den Kopf schob. Sayuri lächelte dankbar, dann schlossen sich ihre Augen abermals.
Marje richtete sich auf. Die Angst, Kiyoshi nicht helfen zu können, schnürte ihr die Kehle zu. »Aber ich muss etwas tun«, murmelte sie leise. »Das bin ich ihm schuldig.«
Suieen schüttelte den Kopf. »Wenn es eine Möglichkeit gäbe, wüsste Yuuka sie«, sagte er und Marje war überrascht, dass seine Stimme dabei eine Spur des Bedauerns in sich trug.
Die Nacht war bereits über sie hereingebrochen, ohne dass Marje es gemerkt hatte.
Sie sah, wie Suieens Blick zum Himmel glitt und dann hinüber zu Sayuri. Erst nach einem langen Moment schaute er wieder hoch. In seine gelben Raubtieraugen trat so etwas wie Entschlossenheit und Härte. Zusammen mit den spitzen Ohren nahmen sie ihm alles Menschliche.
»Der Tag ist vorbei«, sagte er mit seiner rauen Stimme zu Marje. Er fügte nichts weiter hinzu, aber sie wusste auch so, was er meinte.
Er hatte ihnen diesen einen Tag zugestanden – nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Suieen würde sie allein in der Wüste zurücklassen.
Yuuka legte ihren mächtigen Kopf auf die Vordertatzen und sah ihn unverwandt an. Wütend drehte Suieen seiner Gefährtin den Rücken zu und stieg die Düne hinauf, ohne sich noch einmal nach ihr oder dem kleinen Lager umzudrehen, das sie im Schutz der Dünen aufgeschlagen hatten. Gierig sog er die kalte Nachtluft ein und hoffte, Ordnung in seine wirren Gedanken bringen zu können.
Er hatte das Gefühl, nicht mehr zwischen richtig und falsch unterscheiden zu können, und das war etwas, was ihm gänzlich fremd war.
Er wusste, dass sie zu den Quellen in der Wüste aufbrechen mussten. Aber würde er Sayuri morgen in der Früh alleine hier zurücklassen, würde das ihren sicheren Tod bedeuten.
Sayuri … Noch nie hatte er sich so sehr für jemanden verantwortlich gefühlt. Ohne ihn würde das Mädchen hier draußen sterben und Yuuka wusste das. Und trotzdem drängte sie darauf, weiterzuziehen. Yuuka, die bisher immer eine treue, fürsorgliche Ersatzmutter und Gefährtin für ihn gewesen war. Nun sah Suieen eine neue Seite an ihr, die ihn ratlos machte. Er verstand nicht, weshalb sie sich so sehr gegen die Gegenwart der beiden Menschen sträubte.
Yuukas Vorwürfe hallten in ihm wider und verärgert musste er insgeheim zugeben, dass sie recht hatte. Zornig ballte er seine Hände zu Fäusten, bis die spitzen Fingernägel sich in die Handflächen bohrten und Blut hervorquoll.
Es war weder menschliches Blut noch Shaouranblut, das durch seine Adern floss. Er war anders, schon immer gewesen, und seine einzige Familie war Yuuka.
Aber konnte eine Wiljar überhaupt
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