Sayuri
Flüssigkeit aus einer Flasche. In die dritte legte er eine helle Knolle und ein Messer.
Marje zögerte, doch dann kniete sie sich neben Sayuri auf den Waldboden und griff nach der Hand ihrer Freundin, als wollte sie sich versichern, dass sie nicht alleine war. Das blasse Mädchen erwiderte den Händedruck sanft.
Suieen reichte eine der Schüsseln Sayuri. »Der entgiftete Saft der Bäume. Er ist erfrischend und stärkend, auch wenn sein Geschmack ein wenig eigenartig ist«, erklärte er.
Vorsichtig setzte Sayuri die Schüssel an die Lippen und begann zögernd zu trinken. Nach einigen Schlucken ließ sie die Hände mit der Schüssel sinken und leckte sich über die Lippen.
Suieen lachte leise, als sie das Gesicht leicht verzog, und trank durstig seine eigene Schale leer.
Marje war sich nicht sicher, ob sie probieren wollte, aber sie fand es unhöflich, ihren Wasserschlauch hervorzuziehen, und so griff sie widerstrebend nach der Schüssel, die ihre Freundin ihr reichte. Der Saft war dickflüssiger, als sie erwartet hatte, und schmeckte anfangs süß, wurde dann aber ein wenig sauer und brannte in der Kehle. Dennoch stillte sie ihren Durst viel besser als Wasser und Marje setzte gierig die Schüssel erneut an ihre Lippen.
Als sie die Schüssel Sayuri zurückgab, nahm auch ihre Freundin noch einen Schluck und schenkte dem Zentaur, der sie fragend ansah, ein strahlendes Lächeln.
Suieen zerteilte inzwischen eine Knolle mit dem Messer und reichte Sayuri und Marje je eine Hälfte. »Die Früchte der Wüste«, sagte er nur.
Marje biss neugierig ein Stück ab und aß dann schnell den Rest. Der Geschmack erinnerte sie an Honig und die Schnittstelle sonderte einen klebrigen Saft ab. Behielt man die Frucht jedoch zu lange auf der Zunge, wurde sie mehlig und verlor ihr intensives Aroma.
»Es tut uns leid, dass wir euch nur ein solch karges Mahl anbieten können«, entschuldigte sich der Zentaur.
Suieen neigte leicht den Kopf. »Wir haben uns zu bedanken«, entgegnete er. »Es ist uns eine Ehre, die Früchte des Waldes genießen zu dürfen.«
Marje versuchte sich vorzustellen, wie die hellen Knollen an den Wurzeln der Bäume wuchsen und wie die Zentauren sich niederknieten, um sie zu ernten. Es war eine so absurde Vorstellung, dass sie zu der Überzeugung kam, dass die Knollen an den Ästen wachsen mussten, auch wenn sie auf ihrer Reise noch keine einzige gesehen hatte.
»Nein, so nicht«, hörte sie Suieens Stimme und wandte sich ihm überrascht zu. Irgendetwas lag in Sayuris Händen, die er mit den seinen umschlossen hatte. Mit gerunzelter Stirn sah Marje, wie Sayuri die Augen schloss und sich konzentrierte, als Suieen ihr leise Anweisungen zuflüsterte. Neugierig betrachtete sie das Gesicht ihrer Freundin.
Ihr fielen Kiyoshis Worte ein. Plötzlich konnte sie sich wirklich vorstellen, dass es dieses blasse Mädchen gewesen war, die dem Kaiser seine Kraft entzogen hatte. Doch was hieß das für Sayuri? Wusste sie überhaupt, welche Bedeutung sie für die Stadt gehabt hatte? Marje konnte das nicht glauben.
Um Sayuris Mund waren die Muskeln angespannt. Wie immer, wenn sie sich besonders konzentrierte, biss sie die Zähne zusammen und zog die Stirn leicht in Falten. Aber erst jetzt fielen Marje die dunklen Schatten unter ihren Augen auf. Sie wirkte erschöpft. Die Schultern waren nach vorne gesunken, ihr Kopf leicht zur Seite geneigt. Die Farbe ihrer Haare ähnelte mehr denn je ihrer Hautfarbe.
Mit einem tiefen, lautlosen Seufzer schlug Sayuri die Augen wieder auf und zog die Hände zurück. Wasser füllte ihre Handflächen. Müde strich sie sich mit den feuchten Händen übers Gesicht. Dann schloss sie wieder die Augen und ließ sich zur Seite gegen Marjes Schulter sinken.
»Sie wird schnell müde«, stellte Suieen stirnrunzelnd fest.
»Es ist eine anstrengende Reise«, murmelte Marje und legte sanft einen Arm um ihre Freundin.
»Wir sollten aufbrechen«, mahnte einer der Zentauren. »Die Dämmerung bricht bald an. Die Nacht ist nicht mehr fern.«
Suieen nickte und Marje schüttelte Sayuri sanft. »Wir müssen weiter«, flüsterte sie ihr zu und schaute sich suchend nach Shio um. Das rote Irrlicht schwebte auf ihre Schulter herab, hell strahlend vor neu gewonnener Kraft.
Sayuri ließ sich von ihr in die Höhe ziehen und bald saßen sie wieder auf den Zentauren.
Während sich die Waldbewohner in Bewegung setzten, sah Marje zu Suieen hinüber. »Was hast du eben mit Sayuri gemacht?«, fragte sie und merkte, dass
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