Sayuri
Erfolg haben.«
Miro stand auf und ging mit langen Schritten zum Fenster. Wie oft hatte er in den letzten Tagen zu Tshanil aufgesehen und gebeten, dass die Sache ein Ende hätte und Kiyoshi zurückkehren möge. Die Sorgen um seinen Neffen hatten tiefe Falten in sein Gesicht gegraben und schlaflose Nächte hatten dunkle Ringe unter seine Augen gelegt.
Zwar war in der Stadt Ruhe eingekehrt und der Zorn der Bevölkerung hatte sich gelegt, nachdem er die Aufhebung der Verbannung verkündet hatte. Zudem hatte er dafür gesorgt, dass die Preise für Wasser gesetzlich festgelegt wurden. Aber er selbst war immer unruhiger geworden.
Es war wie ein Fluch, der ihn umtrieb, bis er vor Erschöpfung in einen traumlosen Schlaf fiel, während die Morgenröte schon am Horizont dämmerte.
Vermutlich hatte der Wiljar recht. Es war an der Zeit zu handeln.
»Geht«, befahl er und wandte sich zu der Raubkatze um. »Und veranlasst, was auch immer in Euren Augen nötig erscheinen mag.«
Mit einem zufriedenen Lächeln schlich der Wiljar zur Tür. »Eine weise Entscheidung«, stimmte er grollend zu. »Das Mädchen ist so gut wie tot und Ihr könnt wieder in Frieden schlafen.«
»Hauptsache, meinem Bruder geht es weiterhin besser«, murmelte Miro müde. Einzig der Gedanke, dass der Kaiser sich erholte, war ihm ein Trost. Für ihn hatte Miro diesen Kampf begonnen, wohl wissend, dass er Opfer fordern würde. Jetzt musste er ihn auch zu Ende führen.
Teil 3
1. Kapitel
M üde rollte Sayuri sich auf die andere Seite und stieß gegen einen warmen, weichen Pelz, an den sie sich dankbar kuschelte. Sie versuchte, die Augen zu öffnen, doch gleich darauf schwanden ihre Sinne abermals und sie sank wieder in einen tiefen Schlaf.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit verstrichen war, als sie schließlich aufwachte. Als sie den Kopf drehte, konnte sie das warme Sonnenlicht nicht mehr spüren und hinter ihren Lidern blieb es dunkel. Es musste Nacht geworden sein.
Blinzelnd öffnete sie die Augen, die ihr aber gleich wieder zufielen. Träge drehte sie sich und versuchte, das Gewicht zu verlagern.
»Aufgewacht, Menschentochter?«, fragte eine tiefe, grollende Stimme, die die Luft erfüllte und vibrieren ließ, sodass Sayuri nicht sagen konnte, von woher genau sie kam.
Sie zwang sich, die Augen ein Stück weit zu öffnen, und zog fröstelnd die Beine an, als kühl der Wind über sie hinwegstrich.
»Es ist Zeit«, sagte die Stimme. »Steh auf, mein Kind.«
Verschlafen setzte sie sich halb auf, das Gewicht des Oberkörpers auf die Ellenbogen gestützt. Als sie sich umschaute, bemerkte sie, dass sie nicht mehr in der Wüste lag.
Vor ihren Augen erhoben sich kleine Sträucher, sie selbst lag in weichem, kniehohem Gras. Der intensive Geruch von Blumen und Bäumen stieg in ihre Nase und Sayuri schluckte schwer, als sie spürte, wie trocken ihre Kehle war. Alles hier erinnerte sie an ihren kleinen Garten in der Stadt.
»In der Mitte der Oase gibt es eine kleine Quelle«, sagte die dunkle Stimme. »Dort kannst du trinken.«
Vorsichtig stand Sayuri auf und berührte dabei mit einer Hand das weiche Fell, an das sie sich im Schlaf gekuschelt hatte. Erschrocken sprang sie einen Schritt zurück und riss ihre Augen weit auf.
Das Geschöpf war riesig, und obwohl es direkt neben ihr im Gras lag, konnte Sayuri nicht erkennen, wo der Rücken aufhörte und der Nachthimmel begann. Eine mächtige Tatze, so hoch wie sie selbst und dreimal so breit, wie ihr Oberkörper lang war, ruhte nur wenige Schritte neben ihr. Sie konnte scharfe, riesige Krallen sehen, die im Mondlicht unter dem weichen Fell aufblitzten. Mit klopfendem Herzen wanderte ihr Blick von den riesigen Vorderpfoten, die ausgestreckt im Sand lagen, nach oben und traf schließlich auf einen gewaltigen Kopf, der träge auf den Tatzen ruhte.
Erschrocken wich Sayuri einen Schritt zurück, als sie in riesengroße Augen blickte, doch das Geschöpf sah mit einem sanften Ausdruck auf sie hinab, und als sich das gewaltige Maul mit den scharfen Zähnen öffnete, hörte Sayuri wieder die tiefe, angenehme Stimme. »Trinke das Wasser der Quelle und iss von den Früchten der Oase. Stärke dich, dann komm wieder zurück zu mir. Es gibt viel zu bereden.«
Zögernd entfernte Sayuri sich rückwärts von dem gewaltigen Wesen, das sie ohne Weiteres mit einem einzigen Bissen hätte verschlingen können. Aber es machte keinerlei Anstalten, sich zu bewegen, und sah ihr nur aus seinen dunklen Augen nach.
Der Durst trieb
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