Sayuri
konnte«, stellte die Raubkatze lächelnd fest.
»Aber du weißt es.«
»Das ist meine Bestimmung.« Der Riese schnurrte.
»Warum hast du mich hierhergebracht?«, fragte Sayuri.
»Ich habe dich hierhergebracht, weil du auf der Düne beinahe gestorben wärst. Es war kaum mehr als ein kleiner Funke Leben in dir, als ich dich mitnahm. Deine Kräfte waren aufgebraucht.« Aus ernsten Augen blickte die Riesenkatze auf sie herab.
»Was ist mit meinen Freunden? Mit Marje, mit Suieen und Yuuka? Und was ist mit der Nordmine passiert?« Sayuri spürte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann.
»Deinen Freunden geht es gut. Was mit der Nordmine passiert ist, weißt du selbst besser als ich. Du hast viele gerettet, auch wenn dein Handeln dich selbst beinahe das Leben gekostet hätte.«
»Das Leben?«, wiederholte Sayuri fragend. Aber sie hatte doch einfach nur tief geschlafen, bevor sie an diesem Ort aufgewacht war. Weshalb also hätte sie sterben sollen?
»Diese Oase ist einer der wenigen magischen Orte, die in der Wüste existieren«, erklärte das Geschöpf, als hätte es ihre Gedanken gehört. »Du hast die Magie in dich aufgenommen und damit deine Kräfte regeneriert, die du eingesetzt hast, um das Wasser aus den Tiefen der Erde zu ziehen.«
Verständnislos sah Sayuri die Katze an.
»Einige wenige Geschöpfe auf dieser Erde leben von den magischen Quellen. Du bist eines von ihnen. Bisher hast du es nicht bemerkt, da du nahe an einer großen Quelle gelebt hast. Doch die Zeit, die du nun außerhalb der Stadt verbracht hast, hat dich fast all deine Reserven gekostet.«
Sayuris Blick spiegelte die Verwirrung wider, die die Worte der Katze in ihr ausgelöst hatten.
»Die Kräfte der Quellen der Wüste sind begrenzt. Sie werden dich nur eine gewisse Zeit lang am Leben halten können. Wenn du ihre Energie aufgebraucht hast, wirst du wieder zu der großen Quelle zurückkehren müssen. Denn nur sie wird nie versiegen.«
»Welche Quelle?«, fragte Sayuri.
»Die Quelle der Magie und des Wassers in der Stadt des Kaisers. Sie hat dich die letzten Jahre am Leben gehalten, ohne dass du es gespürt hast. Du musst zu ihr zurückkehren, nur dann kannst du überleben.«
»Aber ich kann nicht …«
»Es ist keine Frage.« Die Katze legte den Kopf auf ihre Pfoten, die hell im Mondlicht schimmerten. »Du hast keine andere Wahl. Schon jetzt bist du sehr mächtig und das bedeutet, dass du immer stärker von der Quelle abhängig bist. Die Zeit läuft gegen dich.«
Stumm sah Sayuri zu dem Alten auf. Unwillkürlich musste sie an die Sechzehnjährigen denken, die aus der Stadt verbannt worden waren. »Aber wenn ich in die Stadt zurückkehre, wird der Wasserspiegel wieder sinken«, flüsterte sie leise. »Dann müssen alle anderen Menschen sterben.«
Die Katze gab ein tiefes, grollendes Lachen von sich. Fragend hob Sayuri den Blick.
»Nein«, widersprach der Alte. »Niemand wird sterben, nur weil du in der Stadt bist. Dass der Wasserspiegel gesunken ist, liegt allein in der Natur der Magie und dem Erbe, das du antreten musst.«
Verständnislos zuckte Sayuri mit den Schultern. »Wovon redest du?«
»Von der Urzeit und den Göttern. Von ihrer Macht, die sie nur zwei Völkern zugängig machten. Die Welt wurde aus Magie geformt und die Magie ist es, die sie am Leben hält. Wasser ist das Element, das der Magie am nächsten kommt, zusammen mit Feuer, dem zweiten Element. Aus beiden zusammen sind alle Geschöpfe dieser Welt geschaffen. Doch während die Shaouran dem Feuer stärker verbunden sind, sind es die Menschen dem Wasser. Während der Kriege, die lange Zeit zwischen den Völkern schwelten, wurde sämtliche Magie auf den Schlachtfeldern verbraucht, bis den Elementen alle Kraft geraubt worden war. Zurück blieb das Urgestein, das alsbald unter Tshanils Gluthitze zerbarst. So entstand die Wüste zwischen den Städten der Shaouran auf der einen Seite, mit ihrer Macht über das Feuer, und den Menschen auf der anderen Seite mit ihrer Macht über das Wasser.« Er hielt inne und sah mit einem sanften Schmunzeln auf Sayuri hinab, die ihm aufmerksam zuhörte. »Es gab zwei Familien, die die Götter erwählten. Eine Shaouranfamilie und eine Menschenfamilie. Während die Shaouran nicht besonders auf die Reinheit ihres Stammes achteten, waren die Menschen sehr darauf bedacht, nur ihr eigenes Blut aufzunehmen. Deshalb ist bei ihnen noch immer die von den Göttern erwählte Familie erhalten geblieben, während sich bei den Shaouran das Blut mit
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