Sayuri
Kopf. Decken besaßen sie keine, dafür hatten die Zentauren ihnen Vliese aus einem moosartigen Stoff gebracht, der besser wärmte als alles Webwerk, das Kiyoshi kannte.
Trotzdem wurde Kiyoshi seine Unruhe nicht los. Dass Marje ohne ihn losgezogen war, um Sayuri zu suchen, ärgerte ihn mehr, als er sich eingestehen wollte. Nicht einmal Wasser hatte sie mitgenommen, als sie so überstürzt aufgebrochen war.
Das Wiedersehen vor zwei Tagen war viel zu kurz gewesen, um ihr all das zu sagen, was ihm auf der Seele brannte. Sie hatte sich und Sayuri in Gefahr gebracht, nur um ihn zu retten.
»He, wieder eingeschlafen?« Thesu grinste ihn an.
»Nur nicht frech werden, Kleiner!« Kiyoshi seufzte, griff nach seinem Mantel und trat hinter Thesu aus dem Zelt. Ihm blieb nichts anderes übrig, als den Zentauren zu vertrauen, dass Quouran Marje und Sayuri sicher zurückbringen würde. Und hier im Lager gab es genug zu tun, um sich abzulenken, genug Menschen, die seine Hilfe brauchten.
Milan und er waren in der Zwischenzeit einstimmig zu den Anführern des Lagers bestimmt worden. Milans Freund Thalion hatte dieser Einstimmigkeit ein wenig auf die Sprünge geholfen, wie er erst später erfahren hatte, aber Milan hatte ihm zugesichert, dass es alles seine Richtigkeit hatte.
Kiyoshi wusste sehr wohl, dass viele der ehemaligen Gefangenen ihm mit Misstrauen begegneten. Noch immer war er für sie der Erbe Miros, der die meisten von ihnen erst in diese schreckliche Lage gebracht hatte. Aber Thesu, seine kleine Schwester, Calion, und das Mädchen mit dem Lockenkopf wurden nicht müde, wieder und wieder die Geschichte zu erzählen, die sie unter der Erde erlebt hatten. Sie ließen keinen Zweifel, wer ihr Held war.
Vor Kiyoshis Zelt wartete Milan. Er streckte sein Gesicht den wärmenden Sonnenstrahlen entgegen. Die Wunden, die noch immer deutlich zu sehen waren, hatten angefangen zu heilen. Ein Mädchen, dessen Namen Kiyoshi noch immer nicht kannte, pflegte ihn jeden Tag, selbst wenn Milan dagegen protestierte.
»Auch schon munter, Prinz?«, erkundigte er sich und ein Lächeln erschien auf dem entstellten Gesicht.
»Eigentlich eher das Gegenteil«, antwortete Kiyoshi und gähnte. Er sah sich um. Thesu war nicht mehr hinter ihm. »Wohin ist denn mein Plagegeist verschwunden?«, fragte er grinsend.
Der Junge war zu seinem Boten geworden, der Nachrichten überbrachte und den ganzen Tag vom einen Ende des Lagers zum anderen lief; nicht selten riss er Kiyoshi aus dem Schlaf, unterbrach seine Mahlzeit oder platzte in Besprechungen hinein.
Milan zuckte mit den Schultern. »Vermutlich wird er jeden Moment wieder hier herumspringen.«
»Irgendwelche Neuigkeiten bei dir?«, erkundigte sich Kiyoshi.
Einen Augenblick zögerte Milan, dann schüttelte er den Kopf.
»Man könnte sagen, dass die Menschen im Lager langsam so etwas wie einen Alltag finden, auch wenn ich nicht weiß, wie lange sie so leben können.«
»Wir müssen uns Gedanken machen, wo wir Wasser für so viele Menschen auftreiben können«, überlegte Kiyoshi.
Milan blinzelte. »Wir werden genug zu essen und zu trinken besorgen können. Denk an den unterirdischen See, den der Shanu speist. Und an die Zentauren, die uns helfen. Nein, wir brauchen etwas, womit wir sie beschäftigen können. Bald haben sie keine Aufgabe mehr – und die braucht jeder Mensch.«
Gerade, als Kiyoshi zu einer Antwort ansetzen wollte, kam Thesu in einem halsbrecherischen Tempo den Hang herabgestürmt. »Kiyoshi!«, rief er. »Wo bleibst du denn?«
Mit einem Schulterzucken verabschiedete er sich von Milan und eilte hinter Thesu die Düne hinauf. »Wie geht es eigentlich deiner Schwester?«, wollte er wissen.
Nach allem, was Thesu für ihn tat, konnte er sich nicht vorstellen, wie der Junge noch Zeit für die Pflege des geschwächten Mädchens aufbringen sollte. Schließlich musste sogar er irgendwann einmal schlafen.
»Shina kümmert sich um sie«, antwortete Thesu. »Es geht ihr schon viel besser.«
Shina … Kiyoshi brauchte einen Augenblick, bis er das dunkelhaarige Mädchen mit den großen braunen Augen vor sich sah. Sie war es auch, die sich um Milan kümmerte. Offenbar schien sie sich mit Heilkunde auszukennen.
Mit Thesu an seiner Seite erreichte er den Dünenkamm und musste oben angekommen feststellen, dass ihn der Aufstieg mehr angestrengt hatte als früher. Die Zeit in der Wüste hatte Spuren der Erschöpfung hinterlassen, die auch in den letzten Tagen, in denen er mehr geschlafen und
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