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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bargmann
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ihr hinabbeugte wie eine Mutter zu ihrem Jungen.
    Marje sah ehrfürchtig zu dem Alten auf. »Wer bist du?«, fragte sie leise.
    »Die Menschen nennen mich gerne die Quelle des Wissens«, antwortete er mit einem geheimnisvollen Lächeln.
    Marje riss die Augen auf. Die Quelle des Wissens!
    »Du hast diesen Namen schon gehört«, sagte die riesige Raubkatze leise. »Aber dein Freund wird mich nicht finden. Nicht mit allen Karten dieser Welt.«
    »Wieso nicht?«, wollte Marje wissen und streckte ganz automatisch ihre Hand aus, als Shio angeflogen kam. Sie setzte das rot leuchtende Irrlicht auf ihre Schulter.
    »Er braucht mich nicht aufzusuchen, um die Antworten auf seine Fragen zu erfahren«, antwortete der Alte. »Tief in ihm ist die Antwort längst verwurzelt.«
    Quouran räusperte sich unsicher.
    »Und auch du brauchst mich nichts zu fragen«, entgegnete die Raubkatze und das Donnern in ihrer Stimme wurde zu einem Windhauch, noch bevor der Zentaur etwas sagen konnte. »Fragen finden ihre Antworten, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Habt Geduld.« Dann wandte sie sich Sayuri zu. »Triff deine Entscheidung bald, Menschentochter, bevor die Zeit sie dir abnimmt.«
    Verständnislos sah Marje zu Sayuri, doch ihre Freundin hatte ihre Augen auf den Alten geheftet.
    Die riesige Katze nickte leicht in Suieens und Yuukas Richtung, dann stieg sie in einem Schritt über die Oase hinweg. Marje blinzelte in die Sonne, die sie für einen Moment blendete, und als sie wieder freie Sicht hatte, war der Alte verschwunden.
    Verblüfft wollte sie Sayuri fragen, was das alles zu bedeuten hatte, doch als Marje sich wieder ihrer Freundin zuwandte, sah sie, wie Suieen sich vor ihr ins hohe Gras gekniet hatte und leise auf sie einsprach.
    Kurz zögerte sie, dann entschied sie sich, die beiden allein zu lassen und zuerst ihren Durst zu stillen. Auf ihrem Weg zur Quelle schimpfte Shio unablässig vor sich hin und machte ihr Vorwürfe, klang dabei aber so glücklich, dass Marje ihn einfach reden ließ.
    An dem kleinen See, der zwischen den Pflanzen und Büschen versteckt lag, traf sie auf Quouran, der sich am Ufer niedergelassen hatte. Sein Spiegelbild war klar auf der glatten Oberfläche zu erkennen. Shio verstummte beim Anblick des Zentauren.
    »Was hattest du den Alten fragen wollen?«, platzte es aus Marje heraus und im selben Moment bereute sie ihre Worte, als sie sah, wie ein trauriges Glitzern in die Augen des Zentauren stieg. »Tut mir leid, wenn das unhöflich war«, entschuldigte sie sich hastig.
    Mit einem tiefen Seufzer schüttelte er den Kopf. »Man sollte stets fragen dürfen, wenn man Fragen hat«, entgegnete er. »Aber man muss damit leben, dass es nicht auf jede Frage eine Antwort gibt.« Sein Gesicht nahm wieder den erhabenen Ausdruck eines Herrschers an, als er sich anmutig vom Boden erhob. »Die Sorgen eines alten Zentauren sollten nicht auch noch die eines jungen Mädchens sein. Wir haben deine Freundin gefunden und werden sie heil zurückbringen. Das ist alles, was im Moment zählt.«
    Marje sah ihm nach, wie er die Oase verließ, nur um in einiger Entfernung stehen zu bleiben, den Kopf in den Nacken zu legen und den Himmel zu betrachten.
    Mit den Händen schöpfte sie Wasser aus dem See, trank von dem klaren Nass, das ihr so unendlich kostbar erschien, bis ihr Durst gestillt war, und wusch dann den staubigen Sand von ihrem Gesicht, den Armen und den Beinen. Tief atmete sie die kühle Luft ein, die hier in der Oase ganz anders als unter dem Gluthimmel in der Wüste war, und ließ sich dann in das hohe, weiche Gras sinken.
    Für einen Moment schloss Marje die Augen. Plötzlich erschien ihr die Begegnung mit der riesigen Raubkatze wie ein Traum. Sie war so kurz gewesen – und so unwirklich.
    Und doch war das mächtige Wesen tatsächlich hier gewesen, hatte mit ihnen gesprochen.
    Sie dachte an Kiyoshi. Was sollte sie ihm erzählen, wenn sie wieder zurück waren? Sie hatte die Quelle des Wissens gefunden, aber nicht die Antworten auf seine Fragen.
    Unzufrieden setzte Marje sich auf. Es blieben so viele offene Fäden zurück. Sie wussten immer noch nicht, was Sayuri mit der Quelle und dem Kaiser verband.
    Wenigstens sind wir jetzt alle wieder zusammen, dachte sie und ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, als ihr Blick auf Milans Ring an ihrem Finger fiel. Zärtlich küsste sie das glatte Metall, das ihren Daumen umschloss, und ließ dann ihre Finger sacht durch die herrlich duftenden Gräser gleiten. Wie still es hier war,

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