Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bargmann
Vom Netzwerk:
keine Ironie in seiner Stimme. »Wir überlassen dir die Entscheidung, Kiyoshi.«
    »Wir bringen sie in die Stadt«, sagte er schlicht.
    Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend sah Kiyoshi auf den dunklen Eingang der Höhle, der sich wie ein weit aufgerissenes Maul vor ihm öffnete. Allein bei dem Gedanken, wieder unter die Erde zu müssen, begann sein Herz schneller zu schlagen. Jetzt, wo ihn nur noch wenige Schritte von der Finsternis trennten, kamen ihm abermals Zweifel. Trotzdem würde er um nichts in der Welt von seinem Entschluss abweichen.
    »Das wird eine lange Fahrt in der Dunkelheit«, flüsterte Marje. Er hatte nicht gehört, wie sie zu ihm getreten und neben ihm stehen geblieben war. In ihren Händen trug sie ihr Bündel, sie war aufbruchbereit. Ihre grünen Augen schimmerten golden im Sonnenlicht und Kiyoshi strich ihr mit den Fingern über die Wange.
    »Das bisschen Dunkelheit macht dir Angst?«, fragte er grinsend. »Glaub mir, ich fand diese hässlichen Essjiar weitaus Furcht einflößender. Du nicht auch?«
    Marje lachte und nickte. Kiyoshi war ihr dankbar, dass sie auf seinen Scherz einging, obwohl sie doch genau zu wissen schien, was in ihm vorging.
    Es war ein gewagter Plan, den sie zusammen beschlossen hatten, und Kiyoshi war sich bewusst, dass er sich damit nun ein für alle Mal von Miro und dem Kaiser lossagte. Aber inzwischen fühlte er kaum noch Verbundenheit mit denjenigen, die ihm früher wichtig gewesen waren. Er hatte eine neue Familie gefunden.
    Noch immer stand Marje neben ihm und wartete. Er drückte kurz ihre Hand und folgte ihr dann hinunter in den dunklen Höhleneingang.
    Thesu erwartete sie unten im Stollen. Er trug eine Lampe, die ihr unruhiges Licht auf die Wände warf, die noch feucht von der Überflutung waren.
    Er grinste ihnen aufmunternd zu und lief voraus, um ihnen den Weg zu zeigen.
    Kiyoshi holte tief Luft, tastete nach Marjes Hand und gemeinsam folgten sie ihrem Führer.
    Der letzte Tag kam Kiyoshi vor wie ein Traum. Sayuri war nicht aufgewacht, während sie hektisch Vorbereitungen getroffen hatten. Milan, Marje und er hatten sich mit den Zentauren und Yuuka getroffen, um sich über ihren Plan, in die Stadt einzudringen, abzustimmen. Danach waren die Zentauren aufgebrochen, denn vor ihnen lag ein weiter Weg.
    Milan selbst würde im Lager bleiben müssen. Kiyoshi ahnte, wie sehr Marjes Bruder das zu schaffen machte, doch es blieb ihm keine andere Wahl. Und er bewunderte insgeheim, wie ruhig der Ältere mit seinem Schicksal umging.
    Den Weg zum unterirdischen See hatte Thesu ausgekundschaftet. Die Mine war zwar teilweise eingestürzt, doch das dichte Stollenwerk war zum Großteil erhalten geblieben und Thesu hatte ihnen bewiesen, dass die Hauptstollen passierbar waren. Er war es auch, der alle Botengänge zum See und wieder zurück übernahm, wo Thalion mit ein paar Gehilfen das Boot baute.
    Erst hatten sie Materialien heruntergeschafft, dann Proviant und schließlich Sayuri. Sie betteten sie auf einer Trage. Thalion und Suieen übernahmen die Aufgabe, ihren leblosen Körper in die Tiefe zu bringen, während Thesu ihnen leuchtete.
    Nun war der Kleine ein letztes Mal zurückgekehrt, um Marje und Kioyshi abzuholen und sicher zum See zu bringen.
    Der Junge bewegte sich in den dunklen Gängen, als hätte er hier unten niemals in Lebensgefahr geschwebt. Fröhlich tanzte sein Licht neben Shio an den Wänden auf und ab. Kiyoshi war nur dankbar, dass der Weg nicht durch schmale Felsspalten führte. Offenbar hatte Thesu recht: Ein großer Teil der Mine war überhaupt nicht von dem Einsturz betroffen gewesen.
    Trotz allem merkte er, dass seine Hand in Marjes feucht geworden war, und er spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss.
    »Ist schon in Ordnung«, flüsterte sie ihm zu. »Das hier ist auch nichts für mich. Ich hasse die Dunkelheit und Enge.«
    Thesu drehte sich um. »Wenn die Herrschaften mal einen Moment achtgeben würden«, sagte er und warf sich in die Brust. »Meine Damen und Herren – der Shanu!«
    Hand in Hand traten Marje und Kiyoshi aus dem dunklen Gang, der quer durch die Mine immer weiter in die Tiefe geführt hatte.
    Und was sie dann sahen, ließ sie vor Staunen erstarren.
    Glitzernd und friedlich lag der unterirdische See vor ihnen. Milan hatte wahrlich nicht übertrieben, als er seine Ausmaße beschrieben hatte. Trotz der hellen Fackeln, die überall an seinem Ufer aufgebaut waren und die noch von den Söldnern stammen mussten, konnten sie das Ende des

Weitere Kostenlose Bücher