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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bargmann
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»Oder willst du mir etwa nicht erzählen, was passiert ist? Man wird schließlich nicht jeden Morgen schwer verletzt von Soldaten nach Hause getragen. Und ich bin dein bester Freund.«
    Kiyoshi warf ihm einen funkelnden Blick zu. »Ich habe bereits alles erzählt«, murrte er. »Wozu soll ich das Ganze noch einmal wiederholen?«
    Die Augen seines Freundes verengten sich zu Schlitzen. »Weil bei der ganzen Sache etwas nicht stimmt«, erklärte er. »Etwas verheimlichst du, Kiyoshi. Ich kenn dich doch, besser als jeder andere!«
    Kiyoshi ließ den Kopf gegen das Kissen in seinem Rücken sinken. Mit geschlossenen Augen lag er stumm da, versuchte die Fragen seines Freundes, des Onkels und der Wachen zu vergessen. Wieder sah er das Mädchen vor sich, ihre Locken unter ihrer weiten Kapuze, ihre gesprenkelten Augen, hörte die Worte, die sie ihm in zorniger Verachtung entgegengeschleudert hatte.
    Was glaubst du eigentlich, wer du bist?
    Er hatte auf die Frage keine Antwort, zumindest keine gute. Er war Soldat, der Neffe des Regenten und des Kaisers, er lebte als Prinz im Palast … aber diese Antwort hätte er dem Mädchen niemals geben können!
    »Raus damit!«, drängte Rajar und riss ihn aus seinen Gedanken. »Zumindest mir kannst du die Wahrheit sagen!«
    Kiyoshi zögerte. Er hatte den Soldaten erzählt, er sei von einer vermummten Gestalt überrascht und niedergestochen worden. Bisher war er bei dieser Geschichte geblieben, hatte behauptet, die Person in der Dunkelheit nicht richtig gesehen zu haben. Sollte er nun die Wahrheit sagen?
    Rajar war sein Freund. Sie waren schon immer Freunde gewesen, waren zusammen aufgewachsen, hatten sich miteinander gemessen, hatten zueinandergestanden und alle Geheimnisse geteilt. Es gab keinen Grund, ihm etwas zu verheimlichen. Und doch …
    Der grüngoldene Blick des Mädchens leuchtete in der Dunkelheit hinter Kiyoshis geschlossenen Augenlidern.
    »Ich habe die Wahrheit gesagt«, sagte er mit ruhiger Stimme zu Rajar. »Weshalb sollte ich dich anlügen?« Er öffnete die Augen und sah seinen Freund direkt an.
    Rajar konnte seinem Blick nicht lange standhalten. Er sprang von seinem Platz auf. Mit schnellen Schritten durchquerte er den Raum und kehrte wieder um. »Sag du es mir!« Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nur, dass du etwas verschweigst!«
    Kiyoshi beobachtete ihn, während er wie ein gefangenes Raubtier im Käfig auf und ab lief. »Herrje, Rajar!« Zorn schwang in seiner Stimme. »Glaubst du wirklich, ich würde nicht alles daransetzen, diesen Meuchelmörder zu fangen, um ihn dem Richter zu übergeben? Ich bin hier schließlich derjenige, der niedergestochen wurde!«
    Das war gut. Richtige Taktik.
    Prompt senkte Rajar betreten den Blick. »Tut mir leid«, brachte er hervor. »Du bist einfach so … anders.«
    »Natürlich bin ich das«, antwortete Kiyoshi amüsiert. »Ich bin gerade erst knapp dem Tod entkommen. Was wäre gewesen, hätte sie besser getroffen?«
    »Sie?«
    »Na, die Gestalt.« Kiyoshi biss sich auf die Zunge. Er musste wirklich vorsichtiger sein mit dem, was er sagte.
    Rajar sah unsicher zu ihm auf. »Tut mir leid«, wiederholte er nur.
    »Schon gut«, meinte Kiyoshi. »Lass mich einfach ein wenig allein, in Ordnung? Mit mir ist heute nicht so viel anzufangen.«
    Rajar wollte etwas erwidern, aber Kiyoshi schüttelte bittend den Kopf.
    Mit einem schiefen Lächeln ging sein Freund zur Tür. »Wird schon wieder«, sagte er und Kiyoshi war sich nicht sicher, wen er damit aufmuntern wollte.
    Beinahe ungeduldig wartete er, bis endlich die Tür hinter seinem Freund zufiel.
    Kiyoshi atmete ein paarmal tief durch und versuchte, das ungute Gefühl, das in seinem Magen aufstieg, zu ignorieren. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er ein Geheimnis vor seinem besten Freund. Erschöpft ließ er sich in die Kissen sinken und zuckte zusammen, als die Wunde sich mit stechenden Schmerzen bemerkbar machte. Er hatte wirklich Glück gehabt, dass das Mädchen weder seine Lunge noch irgendein anderes wichtiges Organ verletzt hatte. Und obwohl er allen Grund hatte, Rache an ihr nehmen zu wollen, verschwieg er alles, was er von ihr wusste, um sie nicht in Gefahr zu bringen.
    Warum?
    Erneut versuchte er sich das Gespräch mit dem Mädchen ins Gedächtnis zu rufen.
    Wie nennt ihr euch noch? Die Beschützer dieser Stadt? Ihr helft den armen Bürgern und sorgt für Recht und Ordnung? Fragt sich nur, wessen Recht und wessen Ordnung!
    Die Stimme des Mädchens war voller Spott

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