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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bargmann
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Stufen zum Tresen hinauf und setzte sich auf einen Stuhl. Mit einer Handbewegung strich sie sich ihr gemustertes Tuch vom Kopf und ließ es auf die Lehne fallen. Ihre weißen Haare fielen in leichten Wellen auf ihre schmalen Schultern. Für einen kurzen Augenblick sah sie aus, als würde sie von innen leuchten – wie Shio – oder wie Tshanil. Doch dann war der Moment vorbei. Sie bückte sich, holte eine Dose unter ihrer Theke hervor und bot Marje einen Keks an.
    Dankbar griff sie zu und ließ sich auf eine Kiste neben der Theke sinken. Ihr Blick schweifte durch den Raum. »War Milan heute bei dir?«, konnte sie sich nicht verkneifen zu fragen und biss sich im gleichen Moment auf die Lippen.
    Sie wusste doch, dass sie sich um ihn keine Sorgen zu machen brauchte! Im Gegensatz zu Marje war er in der ganzen Stadt zu Hause, hatte in allen Vierteln Freunde und Bekannte, auch bei den Liganern, und fand immer einen Schlafplatz. Manchmal ließ er sich so lange nicht blicken, dass Marje ernsthaft in Sorge geriet, dann wieder gab es Zeiten, zu denen er jeden Tag bei ihr auftauchte.
    Inzwischen sollte sie sich an diese Eigenart gewöhnt haben und trotzdem konnte sie nicht anders. Nach dem, was gestern passiert war, war sie unruhiger als sonst.
    Sayuri schüttelte den Kopf. Mit Gesten gab sie ihr zu verstehen, dass sie Milan schon seit Wochen nicht mehr gesehen hatte.
    Marje knabberte an ihrem Keks, während sie an Milan dachte. Sie schaffte es nicht ganz, das komische Gefühl in ihrer Magengrube zu ignorieren. Was, wenn die Besitzer der Zinaden nach dieser Aktion heute Abend zur Strafe den Wasserzufluss zum Viertel der Taller noch weiter drosselten? Wasser aus dem Shanu zu schöpfen und durch das Tor oder über die Mauer ins Viertel zu schmuggeln, war zu aufwendig und gefährlich. Auf diese Art ließ sich unmöglich ein ganzes Viertel am Leben halten. Sie brauchten eine gute Idee für die Zukunft und sie brauchten Milan, dem immer etwas einfiel und der wagemutig genug war, es auch umzusetzen.
    Sie stand auf und nahm Sayuri in den Arm. Es wurde wirklich höchste Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen. Sayuri erwiderte die Umarmung. »Pass das nächste Mal besser auf dich auf und nimm vor allem mehr Geld mit, wenn du in ein anderes Viertel gehst«, mahnte Marje besorgt.
    Sayuri verdrehte die Augen und lachte stumm auf, doch einen kurzen Moment später war ihr Blick wieder in die Ferne gerichtet, die Stirn in gedankenvolle Falten gelegt.
    Als Marje den Laden verließ und wieder auf die Straße hinaustrat, fuhr ein Wind auf, der an ihren Kleidern riss und Sand von der Straße aufwirbelte. Schützend zog sie den dünnen Schal hoch, um Mund und Nase zu bedecken. Mit einem Sprung war sie in ihrem Boot und löste das Seil.
    Mit einem Stöhnen richtete Kiyoshi sich im Bett auf und lehnte sich gegen das Kopfende. Sofort waren zwei Dienerinnen zur Stelle, um die Kissen zurechtzurücken und es ihm so bequem wie möglich zu machen.
    »Verschwindet«, fuhr er sie schlecht gelaunt an.
    Schmerz durchzuckte seinen Körper, als er sich leicht zur Seite lehnte. Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte er, sich nichts anmerken zu lassen.
    Rajar lehnte am Fenster und sah grinsend den Dienerinnen nach, die sich eilig in Richtung Tür zurückzogen, wo sie auf die Knie sanken und den Blick scheu zu Boden senkten.
    »Geht«, befahl er den beiden. »Lasst den Prinzen alleine. Er möchte seine Ruhe haben.«
    Sofort huschten die beiden jungen Mädchen aus dem Raum und schlossen sachte die Tür hinter sich.
    Kiyoshi atmete erleichtert auf. »Die machen mich wahnsinnig! Danke.«
    »Andere würden sich darum reißen«, sagte Rajar trocken. »Schön wie Turu und Lauryn, die beiden.« Er drehte sich zu Kiyoshi um. »Wie fühlst du dich?«
    »Wie aufgespießt«, murmelte Kiyoshi. »Na ja, wahrscheinlich gut, den Umständen entsprechend.«
    »Was ist denn nun wirklich letzte Nacht passiert?«, fragte Rajar.
    Er setzte sich in respektvollem Abstand ans Fußende des Bettes, ohne dabei jedoch seinen Blick zu senken, wie es sich eigentlich gehörte. Den Kaiser oder seine Familie anzusehen, ohne dass dieser es ausdrücklich gestattete, war verboten. Doch Rajars Blick bohrte sich förmlich in Kiyoshis Augen und suchte nach einer Antwort, nach einem versteckten Hinweis in seiner Miene.
    Kiyoshi schaute zum Fenster hinaus. »Heute Nacht ist Lauryns Frühling«, murmelte er.
    Rajar verdrehte belustigt die Augen. »Was du nicht sagst! Du lenkst vom Thema ab«, erwiderte er.

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