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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bargmann
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den Rücken durch. »Ich werde alt«, stellte er bedrückt fest. »Lass uns einen Spaziergang machen. Frischer Wind vertreibt Sorgen und bringt neue Ideen.«
    Kiyoshi wartete, bis Miro seinen Umhang übergezogen hatte. Dann folgte er ihm durch die Säulen des Raums bis hinüber zu der breiten Fensterfront, von der aus eine Tür in die hinteren Gärten führte.
    Mit einem Laut der Erleichterung trat Miro ins Licht der aufgehenden Monde und sog tief die Nachtluft ein. »Worüber möchtest du reden, Kiyoshi? Geht es um den Vorfall neulich nachts?«, fragte Miro und deutete auf Kiyoshis Hüfte.
    Einen Augenblick brauchte Kiyoshi, bevor er verstand, dass die Wunde gemeint war.
    »Es tut mir leid, dass wir den Angreifer noch nicht gefasst haben«, sagte Miro. »Deine Beschreibung passt wahrscheinlich auf einige Dutzend Menschen dort draußen und keiner unserer Spione in der Stadt hat bisher davon gehört, dass irgendjemand mit dem Angriff auf meinen Erben geprahlt hätte. Die neue Situation in der Stadt bringt einiges durcheinander und lässt Altes schnell in Vergessenheit geraten.«
    Kiyoshi nickte. »Das ist mir sehr wohl bewusst«, sagte er. »Aber eigentlich bin ich aus einem anderen Grund zu dir gekommen.«
    Überrascht drehte sich Miro zu ihm um. Sie hatten die großen Gebäude hinter sich gelassen und einen schmalen Pfad in den Palastgarten eingeschlagen, der zu einer bewaldeten Insel führte. Im Halbschatten konnte Kiyoshi Miros Reaktion schlecht abschätzen. Noch wirkte er lediglich neugierig.
    »In Wahrheit geht es doch gar nicht um alle Sechzehnjährigen!«, sprudelte es aus ihm heraus. »Die Prophezeiung war nur ein Vorwand! In Wirklichkeit sucht ihr nur einen von ihnen, oder?«
    Miro blieb abrupt stehen.
    Kiyoshi hielt den Atem an.
    »Woher hast du diese Information?«, wollte Miro wissen. Seine Stimme war leise, klang fast resigniert, aber Kiyoshi konnte seine Augen nicht sehen und das ließ ihn zögern. Zu gut kannte er die plötzlichen Anfälle von Jähzorn bei seinem Onkel.
    Kurz überlegte er. Er hatte nicht vor, seinen heimlichen Ausflug zum Schrein ins Spiel zu bringen, wenn er nicht dazu gezwungen war. »Ist das wichtig, wenn es denn der Wahrheit entspricht?«, fragte er zurück.
    »Vermutlich nicht.« Miro schüttelte den Kopf. »Aber du darfst nicht alles glauben, was du hörst. Manche Menschen fantasieren sich etwas zusammen, erzählen es weiter und bringen Gerüchte in die Welt, die nichts mit der Wahrheit gemein haben.«
    »Und? Ist es ein Gerücht?«, fragte Kiyoshi.
    Miro seufzte schwer.
    Kiyoshi ballte unwillkürlich die Fäuste. Wenn sein Onkel jetzt log …
    »Nein, es ist wahr, zumindest zum Teil.« Miro sagte es ganz ruhig, so, als wäre er nicht gerade dabei, eine Ungeheuerlichkeit zuzugeben. »Es geht in der Tat nur um einen Sechzehnjährigen. Er ist es, der den Kaiser schwächt. Seine Kräfte werden immer stärker und nehmen dabei dem Kaiser alle Macht. Deswegen sinkt der Wasserstand. Und deswegen müssen wir etwas unternehmen.« Er strich sich über die Wangen, die die Spuren eines Bartschattens zeigten. »Aber wie sollten wir nach ihm suchen, wenn wir nichts über ihn wissen?« Miro hob die Hände. »Und es gibt noch ein weiteres Problem. Uns bleibt kaum mehr Zeit. Wenn der Kaiser stirbt, versiegt die Quelle.«
    Kiyoshi schluckte. Die Folgen dessen wollte er sich nicht ausmalen. »Warum hast du mir das nicht schon früher gesagt?«, fragte er bedrückt. Seine Wut auf Miro war verflogen. Plötzlich schämte er sich, dass er dem Kaiserbruder Bösartigkeit unterstellt und ihm hinterherspioniert hatte. Er hätte ihn schon viel früher danach fragen sollen. Es gab immer eine gute Erklärung für Miros Entscheidungen.
    »Warum dann aber erst die Lüge?« Trotz allem konnte er sich die Frage nicht verkneifen. Warum gab Miro das alles so offen zu, wenn er es doch vor einigen Tagen vor ihm verheimlicht hatte?
    »Ja, warum nur?«, murmelte Miro leise und ging einige Schritte in den Wald hinein. »Es ist nicht lange her, da warst du noch ein Kind«, begann er. »Es klingt so grausam, Unschuldige zu opfern, nur um einen Menschen zu finden, der die ganze Stadt bedroht. Nur ist es der einzige Weg, der uns noch bleibt. Ich glaube, ich hatte einfach Angst davor, dass du es nicht verstehst …«
    Kiyoshi nickte langsam und sah zu Lauryn auf. Der schwarze Riss im Angesicht des Mondes zog seinen Blick magisch an. Als würde unsere Welt auseinanderbrechen .
    »Warum?«, fragte er leise.
    Miro blinzelte

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