Sayuri
Soldaten? Was machte er überhaupt hier?
Kiyoshi gab ihr nicht mal die Gelegenheit, den Mund aufzumachen. Wortlos zog er sie und Sayuri einfach hinter sich her, an den Gespannen vorbei Richtung Tor.
»Haltet sie!«, brüllte der Soldat hinter ihnen und machte dadurch die Wachen am Rande des Trosses auf sie aufmerksam, die sich einen Weg zu ihnen durch die Menge bahnten.
Marje umgriff Sayuris Hand fester, um die Freundin, die hinter ihnen herstolperte, nicht zu verlieren. Doch sie waren nicht schnell genug und einer der Soldaten erreichte Kiyoshi. Marje schrie auf, als sie das Schwert in der Hand der Wache sah, aber Kiyoshi ließ sich davon nicht beeindrucken. Geschickt entwand er dem Mann die Waffe und stieß den Soldaten damit zur Seite. Marje verlor den Angreifer aus den Augen, als dieser vor einem Grion zu Boden stürzte.
Atemlos rannten sie weiter. Wieder stellten sich ihnen Soldaten in den Weg, aber Kiyoshi zog sie unter einem Grion hindurch, sprang auf die Ladefläche eines Wagens und kletterte über zwei Fässer hinweg, um neben dem Kutschbock wieder auf den staubigen Boden zu springen. Marje mit Sayuri im Schlepptau konnte ihm nur mit Mühe folgen.
Hinter ihnen waren die erbosten Rufe der Soldaten zu hören, doch sie hatten in der Zwischenzeit das Tor schon fast erreicht. Dort griffen die Soldaten nun nach ihren Waffen, als sie sahen, dass die Flüchtigen auf sie zurannten. Kiyoshi zückte ein Schwert, das er unter seinem Umhang hervorzog. Marje stolperte, fing sich jedoch an einem Wagen ab. Sie hörte ihren eigenen keuchenden Atem, während sie weiterhasteten. Zwei Karren versperrten noch den Weg durch das Tor, da ihr Besitzer gerade den Wegezoll bezahlte, aber die Soldaten, die eigentlich kassieren und den Verkehr lenken sollten, stellten sich ihnen nun in den Weg.
»Lauf!«, rief Kiyoshi. »Und pass auf Sayuri auf!«
Marje wich geschickt einem Soldaten aus. Kiyoshi, der ein kleines Stück vor ihr rannte, stürmte auf eine der Wachen zu und hob das Schwert zum Angriff.
»Tu das nicht«, rief der Soldat, scheinbar unsicher, wie er auf den Angriff des Prinzen reagieren sollte, aber Kiyoshi zögerte keinen Augenblick. Statt jedoch von oben anzugreifen, ließ er das Schwert kreisen und stieß es dem Mann von unten in die Hüfte und zog es dann mit einer eleganten Bewegung zurück, während er den Angriff des Soldaten abfing, indem er nach der Hand griff, mit der der Mann sein Schwert führte.
Marje rannte an dem Mann vorbei und wirbelte, als sie schon fast durchs Tor war, herum, um gerade noch zu sehen, wie Kiyoshi die Wache von sich stieß und ihr folgte. Wieder schloss sich seine Hand um ihre. Sie waren auf der anderen Seite des Tores!
»Auf den Wagen dort«, keuchte Kiyoshi und das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Direkt vor ihnen schwankte ein breiter Karren über die staubige Straße, der jetzt langsam an Fahrt aufnahm. Die sechs Grions, die ihn zogen, schienen erleichtert zu sein, das weite Land erreicht zu haben.
Marje spürte, wie Kiyoshi ihre Hand fester umklammerte, mit der anderen nach dem Karren griff und einfach aufsprang. Verzweifelt versuchte sie, das Gleichgewicht zu halten, aber in diesem Moment wurde ihr der Boden unsanft unter den Füßen weggerissen und ihr entglitt Sayuris Hand.
Ihr Schrei ging in dem Brüllen der mächtigen Grions unter, die nun die Peitsche des Kutschers zu spüren bekamen. Die Tiere verfielen von einem Augenblick auf den anderen in ihren rasenden Galopp, der die Plumpheit ihrer Körper Lügen strafte.
Marje konnte gerade noch das zornverzerrte Gesicht des dunkelhaarigen Jungen von der Palastwache sehen, der aus dem Tor gelaufen war und nun Sayuri zu fassen bekam.
»Sayuri«, schrie sie. Verzweifelt schaute sie zurück. Sie musste von diesem Gefährt herunter – sie musste zu Sayuri zurück!
Sie holte tief Luft und machte sich gerade bereit zum Sprung, als sie spürte, wie sie zwei starke Hände packten und in den Wagen zogen.
11. Kapitel
D er Mann und der Wiljar lauschten regungslos, was der Bote zu berichten hatte. Als er geendet hatte, versanken sie in ein tiefes Schweigen, während ihr Blick auf die Ebene hinaus in die Weite der Wüste glitt. Als der Wiljar schließlich anhob, etwas zu sagen, hatte sich der Bote längst unter vielen Verbeugungen und Ehrenbezeugungen zurückgezogen.
»Sie hat also die Stadt verlassen«, stellte der Wiljar schließlich fest. Mit einem zufriedenen Schnurren trat er an die offene Seite des Kräutergartens, der sich
Weitere Kostenlose Bücher