Sayuri
ganz anders gewesen als hier in der endlosen Weite der Wüste.
Als hätte sie seine Gedanken gehört, hob sie den Kopf und erwiderte seinen nachdenklichen Blick, der die ganze Zeit auf ihr geruht hatte. Ein Lächeln umspielte ihre farblosen Lippen. Wer bist du eigentlich?, fragte sie.
Ihre Hand strich über seine schlanken Finger und die Nägel, die leicht gebogen waren und fast an Klauen erinnerten.
Er entzog ihr seine Hand und wich ihrem fragenden Blick aus. »Kein Mensch«, antwortete er.
Sie lachte wieder, und wenngleich auch ihr Lachen für seine Ohren nicht hörbar war, so nahm er doch das Gefühl der Freude wahr, mit dem sie ihn bedachte.
Ich weiß. Sie lächelte. Sonst hättest du mich nicht verstanden. Magie ist … den Menschen fremd. Er sah sie wieder an und entdeckte so etwas wie Hoffnung in ihren Augen.
Bin ich ein Mensch?, fragte sie und sah ihn erwartungsvoll an.
Er spürte, dass sie wollte, dass er ihre Frage verneinte. Aber das wäre eine Lüge gewesen. Zwar war sie fast zu schmächtig und zu blass für einen Menschen und Magie war bei Menschen so gut wie unbekannt. Dennoch gab es keine Rasse, der sie ähnelte. Vielleicht floss ein wenig Shaouranblut in ihr, aber zum größten Teil war sie ein Mensch. Sie würde keine Rasse finden, die sie aufnehmen würde. Es war sinnlos, ihr falsche Hoffnungen zu machen, deshalb gab er ihr eine ehrliche Antwort.
Sie seufzte und wie eine Welle schwappte das Gefühl der Enttäuschung auch auf ihn über, als sie wieder nach seiner Hand griff. Erzähl mir von dir, bat sie ihn.
Suieen zögerte. Etwas in ihm wollte ihr nicht von seiner Welt erzählen. Sie schien ihm zu grau und brutal für dieses Mädchen, das trotz ihrer Farblosigkeit doch vor Leben und Zuversichtlichkeit förmlich zu sprühen schien. Ihre Augen leuchteten voll Erwartung.
Müde schüttelte er den Kopf. »Da gibt es nichts zu erzählen«, meinte er ausweichend.
Sayuri lachte wieder, ein glockenheller Ton in seinem Inneren, der ihn seltsam berührte.
»Nein«, wehrte er ihren bittenden Blick ab.
Du bist zum Teil Mensch, nicht wahr?, fragte sie leise und hob eine Hand, mit der sie die blonden Haare aus seiner Stirn strich, sodass das Sonnenlicht in seine Augen fiel und sie goldgelb leuchten ließ. Was bist du noch?
»Shaouran.« Er stockte. Noch nie hatte er jemandem von sich erzählt. Yuuka hatte ihm seine Herkunft von Anfang an angesehen und sie akzeptiert. Die Menschen aber sahen nur, dass er keiner von ihnen war, und verjagten ihn.
Shaouran, wiederholte Sayuri.
Ihre Finger malten eine Narbe an seiner Schläfe nach. Shio erhob sich und umkreiste ihren Arm, bis er auf ihrer Hand landete und sich sirrend an sie wandte. Aber Sayuri schien dem Irrlicht gar nicht zuzuhören, das von einer Marje sprach. Sie schien auch nicht zu bemerken, dass sie nicht länger über die Felder, sondern auf einem schmalen Pfad wanderten und die Höfe bald hinter sich lassen würden. Ihre blau schimmernden Augen blickten sehnsüchtig in die Ferne.
Wie eine Schläferin, die gerade aufwacht, aber noch in ihrem Traum gefangen ist, fiel Suieen ein und er wagte nicht, sie abzulenken. Ihre Hand hielt noch immer die seine fest umschlossen, fast als wäre er der Anker, der sie noch in dieser Welt hielt und ohne den sie zu verschwinden drohte.
Tränen füllten plötzlich ihre Augen und hastig riss sie sich vom Anblick des Horizontes los, als hätte sie dort etwas Furchtbares gesehen, das sie bedrückte.
Verwirrt blieb Suieen stehen. »Was hast du?« Obwohl er leise sprach, hatte er das Gefühl, die Stille um sie herum gewaltsam zu zerreißen.
Sayuri lächelte scheu, fast, als wollte sie sich entschuldigen. Dann hob sie die Schultern und ließ sie hilflos wieder fallen.
Wie seltsam dieses Mädchen doch war! Er konnte sich schon vorstellen, was Yuuka zu ihr sagen würde. Dennoch bereute er seine Tat nicht, stellte er überrascht fest und musste lächeln, als er das Mädchen dabei beobachtete, wie es sich erst zögernd von seiner Hand löste, um dann einige schnelle Schritte vorauszulaufen und vor einer kleinen kümmerlichen Pflanze niederzuknien.
Das Irrlicht hatte es inzwischen aufgegeben, auf Sayuri einzureden, und summte stattdessen um seinen Kopf. Unwillig schob Suieen es beiseite. Dieses andere Mädchen und ihr Freund interessierten ihn wenig, zumal sie Sayuri einfach im Stich gelassen hatten. Was auch immer sie verband, es konnte nicht sehr stark sein.
Als er zu Sayuri aufgeschlossen hatte, beugte er sich zu
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