Sayuri
ihr hinab und beobachtete stirnrunzelnd ihre Hände, die liebevoll über die welken Blätter der kleinen Pflanze strichen. Wasser schien von ihren Fingern auf die Blätter zu perlen und den dürren Stängel zu umspülen. Das Graubraun der Blätter verwandelte sich langsam in ein saftiges Grün und die Spitzen streckten sich nach oben, der Sonne entgegen. Verwundert beobachtete Suieen, wie Sayuri ihre Magie scheinbar mühelos in Wasser umwandelte.
Belustigt von seinem verwirrten Blick hob sie eine Hand und berührte seine Wange. Er konnte ihre Finger nicht spüren, nur das Wasser, das über seine Wange rann, als würde es aus einer Quelle sprudeln, nur dass es nicht auf den Boden tropfte, sondern wieder von ihr aufgefangen und zurückverwandelt wurde.
Es hätte sie anstrengen müssen. Hätte er selbst so viel Wasser geschaffen, hätte er sich tagelang von dieser Kraftanstrengung erholen müssen. Sayuri aber lächelte wie ein Kind, das gerade gelernt hatte, mit einem neuen Spielzeug umzugehen.
Die Frage, die ihm erst auf der Zunge lag, schluckte er wieder hinunter. »Komm«, bat er und reichte ihr seine Hand, die sie sofort ergriff. Sie ließ sich von ihm in die Höhe ziehen, warf noch einen letzten Blick auf die grüne Pflanze, dann richtete sie den Blick nach vorne und bei dem ersten Schritt, den sie tat, schien alles hinter ihr Liegende bereits wieder vergessen.
Wohin gehen wir?, erkundigte sie sich erneut.
Die Felsengruppe, an der Yuuka wartete, war bereits in Sicht gekommen. Die Wildkatze war jedoch nirgends zu sehen. Wahrscheinlich hielt sie sich in einer der Höhlen verborgen, bis die dunkle Nacht sie vor fremden Blicken schützte. »Dorthin«, antwortete er und deutete auf die Felsen. »Dort ist eine Höhle, in der wir uns die Nacht über verstecken können«, erklärte er ihr.
Sein Blick folgte ihr, als sie wieder einige Schritte vorauslief und sich dann stumm lachend zu ihm umdrehte. Irgendetwas schien sie entdeckt zu haben, das für seine Augen unsichtbar war. Das freudige Lächeln versetzte ihm einen Stich. Morgen musste er sie hier alleine zurücklassen. Das Gefühl, sie verletzen zu müssen, weckte in ihm etwas, das er nicht kannte.
Als sie die Felsen erreichten, hatte Tshanil ihren Abstieg am Himmel begonnen und stand so tief, dass die Felsen lange Schatten warfen. Shios Licht strahlte hell und er schwebte ein Stück vor ihnen, sodass der Weg in einem rötlich schimmernden Licht lag.
»Yuuka?«, rief Suieen leise und erst jetzt fiel ihm ein, dass er Sayuri noch gar nicht von seiner Gefährtin erzählt hatte. Doch gerade, als er seinen Mund öffnen wollte, kroch Yuuka durch einen schmalen Höhleneingang ins Freie.
Draußen angekommen, streckte sie sich und schüttelte den Sand aus ihrem Fell. Im roten Licht des Irrlichtes blitzten ihre Augen bedrohlich.
Unsicher sah er sich nach Sayuri um, die gerade an einem Felsen stehen geblieben war, den sie fasziniert betrachtete. Als sie ihren Blick hob und Yuuka entdeckte, lief sie los, ohne Angst zu zeigen. Als sie bei ihm war, griff sie wieder nach seiner Hand und sah staunend der Wiljar entgegen, die sich nun auf leisen Pfoten näherte.
»Ich habe das Mädchen am Stadttor getroffen«, begann Suieen zu erklären.
Yuukas pelzige Stirn zog sich in Falten. Sie ließ sich auf die Hinterbeine hinab und rollte ihre neun Schwänze wie buschige Schals um sich herum. Wie eine Statue wirkte sie, als sie ihn völlig regungslos ansah.
Unsicher leckte Suieen sich über die trockenen Lippen, dann erzählte er ihr von Sayuris Hilferuf und davon, dass das Mädchen die Gabe der Magie besaß.
Nur einmal zuckte eines der Ohren und Yuukas Lefzen umspielte ein Lächeln, das jedem, der nicht wusste, wie Raubkatzen lächelten, einen kalten Schauer über den Rücken gejagt hätte.
Sayuris Hände fühlten sich warm und trocken an, und obwohl sie einer riesigen Wiljar gegenüberstand, zeigte sie keine Angst.
»Deshalb habe ich sie mitgebracht«, schloss Suieen seinen Bericht etwas lahm. Hilflos zuckte er mit den Schultern, als Yuuka keine Reaktion zeigte. Er war sich nicht sicher, ob sie verärgert oder nur nachdenklich war. Obwohl er sie inzwischen seit zehn Jahren kannte, konnte er ihre Miene noch immer nicht lesen.
»Sie bleibt«, beschloss Yuuka schließlich mit rauer Stimme und einem grollenden Unterton, der jeglichen Widerspruch und jede Frage verbot.
Suieen nickte erleichtert.
Erst jetzt trat ein breiteres Lächeln auf Yuukas Gesicht und sie stand auf, um ihren
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