Sayuri
Königen beeinflussen lassen«, sagte er. »Selbst die Götter haben keinen Einfluss darauf, nur verstehen sie die Gesetze besser als wir. Wenn Sayuri dem Kaiser wirklich schadet, dann muss mehr dahinterstecken.«
Marje nickte nachdenklich. »Glaubst du auch, dass es Schicksal ist, dass wir jetzt hier sind?«, fragte sie leise.
Kiyoshi zuckte mit den Schultern und sah zu den Monden auf. »Vielleicht ist es Schicksal, dass wir uns begegnet sind«, meinte er. »Und vielleicht ist es Schicksal, dass wir Sayuri heute aus den Augen verloren haben.«
»Dafür musst du nicht das Schicksal bemühen. Da reicht es, mir Schuld zu geben.« Sie sah Kiyoshi trotzig an. »Und dir übrigens auch.«
Er erwiderte ihren Blick mit einem Lächeln auf den Lippen. »Deine Augen werden ganz schwarz, wenn du wütend wirst«, stellte er fest. Und nach einem kurzen Zögern fügte er hinzu: »Und sie schimmern hell, wenn du traurig bist.« Vorsichtig strich Kiyoshi ihr eine Locke hinters Ohr.
Die Berührung löste ein angenehmes Kribbeln auf ihrer Haut aus. Es hatte etwas Tröstendes und Marje spürte plötzlich, wie erschöpft sie war. Am Morgen noch hatte sie bei Kiyoshis Mutter gesessen und Saft getrunken. Eine Träne quoll unter ihren Wimpern hervor und lief ihr über die Wange.
Kiyoshi fing die Träne mit einem Finger auf. »Wir schaffen das«, flüsterte er leise.
Stumm nickte Marje. Er wollte seine Hand schon wieder zurückziehen, als sie danach griff und sie einfach festhielt.
3. Kapitel
S ayuris Blick wanderte bewundernd und staunend durch die Wüste. Belustigt beobachtete Suieen, wie sie neugierig den feinen Sand durch ihre Finger rieseln ließ, größere Sandsteine betrachtete und vorsichtig mit den Fingern über ihre raue, porige Oberfläche strich, als hätte sie Angst, die Steine, die seit Jahrtausenden schon aus dem Boden ragten, zu zerbrechen. Als sie über das Feld eines Bauern kamen, betrachtete sie mit leuchtenden Augen die gelben Halme, die aus dem staubigen Boden ragten. Und immer wurde sie von dem Schimmer des kleinen Irrlichtes begleitet, das unablässig Kreise um ihren Kopf zog.
Schau dir das an!, rief sie voller Begeisterung aus und vergaß einmal mehr, wie laut ihre Stimme in Suieens Kopf widerhallte.
Er verzog das Gesicht, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen, und holte zu ihr auf.
Sayuri deutete mit der ausgestreckten Hand auf einen Skorpion. Sein Panzer war kaum dunkler als der Wüstensand.
»Vorsicht«, mahnte Suieen. »Sein Stich kann für Menschen tödlich sein.«
Sayuri, die erst noch einen Schritt näher hatte treten wollen, blieb stehen und reckte den Hals, um das kleine Tier genauer betrachten zu können. Aber er sieht gar nicht gefährlich aus, dachte sie.
Suieen griff nach Sayuris Hand und führte sie in einem Bogen um den Wüstenbewohner herum.
Bewundernd blickte Sayuri zu ihm auf. Ein Funkeln lag in ihren hellblauen Augen. Ich wünschte, ich hätte das schon vorher herausgefunden, seufzte sie und umschloss mit beiden Händen seine Hand.
»Was?«, fragte Suieen, während er beobachtete, wie das Irrlicht näher an den Skorpion heranflog und neugierig über ihm kreiste, bis dieser eine schnelle Bewegung mit seinem Stachel vollführte und das Irrlicht hastig zu ihnen aufschließen ließ. Es flog auf Sayuris Schulter und dimmte sein Licht zu einem rötlichen Glimmen. Atemlos flüsterte es Sayuri etwas zu und das Mädchen brach in ein lautloses Gelächter aus.
Wohin gehen wir?, wandte sie sich dann fragend an ihn.
Suieen zögerte mit der Antwort. Yuuka würde gar nicht begeistert sein, wenn er das Mädchen mitbrachte. Sie konnten sie nicht mit durch die Wüste nehmen, aber sie einfach alleine zurückzulassen, kam für ihn nicht infrage. Dann hätte er sie auch der Stadtwache überlassen können. Es ärgerte ihn, nicht darüber nachgedacht zu haben, aber ihre Stimme hatte so verzweifelt geklungen! Dabei wusste er nicht einmal, warum das Mädchen gejagt worden war.
Neugierig nahm er Sayuri näher in Augenschein. Wie eine Verbrecherin sah sie nicht gerade aus, aber sie hatte auch etwas Befremdliches an sich, das fast unheimlich wirkte. Es war die Stille, die sie umgab, die sie verträumt wirken ließ, als lebte sie in einer anderen Welt. Mal lief sie vor ihm den Weg entlang und sah sich fasziniert um, dann klammerte sie sich wieder an seine Hand und betrachtete alles wie aus der Ferne, als hätte sie Angst davor, der Welt zu nahe zu kommen. Aber vielleicht war sie in der Stadt ja
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