SB 121 – Mission Zeitbrücke
stromabwärts.
»Oh schön!«, frohlockte der Prodheimer-Fenke. »Da will ich auch hin. Was sagst du, wenn wir gemeinsam wandern?«
Sein Benehmen war aufdringlich, selbst wenn man in Betracht zog, dass die Prodheimer-Fenken aus sich herausgehende, lebhafte Geschöpfe waren. Surfo wagte nicht mehr, im Blinkkode der Ai zu antworten, er hatte den unbestimmten Verdacht, dass der Blaupelz die Signale besser verstand als er.
»Geh allein!«, sagte er ablehnend.
»Sei kein Eigenbrötler.« Der Prodheimer-Fenke lachte keckernd. »Ich heiße Firsenq und bin ein munterer Wandergeselle. Na, wie wär's?«
Mallagan wandte sich ab und schritt auf den Ausgang zu.
Eine halbe Stunde später saß er am Ufer auf der anderen Flussseite und verzehrte nachdenklich die Mahlzeit, die auf den Geschmack eines Kranen zugeschnitten war. Er fragte sich, ob der aufdringliche Kerl seine Wahl beobachtet hatte. Wenn ja, hatte Firsenq Verdacht geschöpft?
Das war nicht sein einziger Fehler gewesen. Ihm lief es jetzt noch kalt über den Rücken, wenn er an Firsenqs merkwürdigen Ausdruck dachte, als er ihm im Blinkkode antwortete. Er hatte sich darauf verlassen, dass auf Keryan außer den Ai selbst niemand diese Symbolik beherrschte. Er selbst kannte erst eine kleine Zahl von Kombinationen. Was aber, wenn der Prodheimer-Fenke ein Experte war?
Seine Überlegungen schweiften sogar zu der Begegnung am Berg zurück. Er wusste mittlerweile, dass es ein Fehler gewesen war, den Arbeitern zu helfen. Der nachdenkliche Blick des kranischen Vorarbeiters ging ihm nicht aus dem Sinn. Ein echter Ai hätte Zurückhaltung geübt und seinen Rat niemandem aufgezwungen.
Surfo Mallagan saß fünfzig Meter oberhalb der Brücke, auf der er den Fluss überquert hatte. Er sah, dass sich eine der in Reih und Glied stehenden Brückenlampen verdunkelte, als ein Fußgänger vorbeiging. Dann die nächste Lampe. Das Summen eines Triebwerks hallte über den Fluss hinweg. Ein großes, hell erleuchtetes Boot zog unter der Brücke hervor und bewegte sich mit mäßiger Geschwindigkeit flussaufwärts. Es war eine friedliche Szene.
Eine zierliche Gestalt schälte sich aus der Dunkelheit. Der Fußgänger auf der Brücke, dachte Mallagan. »Erschrick nicht, ich bin es nur«, sagte eine helle Stimme. »Ich meinte, du könntest es im Speisehaus nicht so ernst gemeint haben.«
Surfo stand auf und schleuderte die Reste des Proviantpakets von sich. »Allein lassen!«, brummte er.
»Stell dich nicht so an«, kicherte Firsenq. »Ich mag nicht alleine wandern. Also ...«
»Weg! Brauche keine Gesellschaft.«
Mallagan spürte ein leichtes Zittern im Boden, als ein schwerer Schritt sich näherte.
»Mein Freund in dem blauen Pelz, du hörst, dass der Ai nichts von dir wissen will«, sagte eine tiefe Stimme.
Der Prodheimer-Fenke zuckte zusammen. Mallagan wandte sich um und sah den Umriss eines Kranen. Etwas war an diesem Gesicht, was sich Surfo einprägte: die hohe Stirn im Widerschein der Lampen, der gekrümmte Nasenrücken, das kantige Kinn ...
»Ich wollte doch nur ...«, jammerte Firsenq.
»Aber der Ai wollte nicht«, schnitt ihm der Krane das Wort ab. »Machst du dich freiwillig auf, oder soll ich nachhelfen?«
»Ich gehe schon«, zeterte der Prodheimer-Fenke. Augenblicke später verschlang ihn die Nacht.
Der Krane wandte sich an Mallagan. »Sie sind harmlos und verspielt, manchmal ein wenig aufdringlich. Ich bin sicher, er wird dich von jetzt an in Ruhe lassen. Ich will deine Einsamkeit ebenfalls nicht stören.«
»Danke«, schnarrte Surfo. »Dein Name?«
»Du schuldest mir keinen Dank«, antwortete der Krane. »Ich heiße Sterm. Und du?«
Mallagan blinkte mit den hellen Hautstellen. Seinen Namen hatte er sich eingeprägt; dabei machte er keinen Fehler. »Mit-Schwingen«, sagte er für den Fall, dass der Krane den Blinkkode nicht verstand.
»Ich wünsche dir eine beschwingte Reise, Mit-Schwingen.« Sterm lachte fröhlich und ging weiter. Mallagan blickte dem Kranen noch eine Weile hinterher.
Das Rasthaus bot dreihundert Gästen Platz. Es war wie ganz Engfern für die Zukunft eingerichtet.
»Auf Ai-Mutanten sind wir hier nicht eingerichtet«, sagte der Wirt in einem Tonfall, als bedaure er diesen Umstand außerordentlich. »Suche dir eine Unterkunft aus, die dir behagt.«
Sie wurden rasch handelseinig. Mallagan erhielt eine bequeme Unterkunft mit Hygieneeinrichtung und einem Anschluss ans Informationsnetz. Dass das Bett die Form eines flachen Boots hatte und das
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