SB 122 – Gefangene der SOL
weiter springen, und obwohl ihm die geringe Schwerkraft von Arxistal half, kam er langsamer voran.
Icho Tolot spürte, dass ihm die Anstrengung schwerer fiel. Die wochenlangen Entbehrungen, die selbst für ihn fast zu viel geworden waren, hatten ihre Spuren hinterlassen.
Dann erreichte Tolot den letzten Felsen. Eine Strecke von gut zweihundert Metern lag vor ihm, die er nicht mit einem Sprung überwinden konnte. An vielen Stellen brodelte und kochte das Blei.
Wie tief war der Graben zwischen ihm und seinem Ziel? Würde er nur wenige Zentimeter tiefer in die tödliche Masse eindringen oder völlig darin versinken?
Icho Tolot hatte keine andere Wahl. Er musste weiter. Er schleuderte die mitgebrachten großen Steine in das Blei. Einige versanken völlig, andere blieben sichtbar.
Mit letzter Kraft schnellte er sich voran, wobei er sich mit den Händen seiner Laufarme und den Füßen abstieß. Er kam bis auf etwa drei Meter an die Kuppel und den sicheren Boden heran, dann tauchte er mit Händen und Füßen in die brodelnde Glut.
Gepeinigt schrie er auf.
Er sank indes nur zentimetertief ein, dann schnellte er sich bereits weiter bis in den Einschnitt der Kuppel, in dem sich der Boden schon merklich abgekühlt hatte.
Entsetzt blickte er auf das Eingangsschott.
Es war durch ein Spezialschloss gesichert und schien eine unüberwindliche Hürde darzustellen. Da sein Planhirn die Kapazität und die Qualität einer Positronik hatte, konnte er einen Teil des Problems rasch lösen.
Mit einem positronischen Schlossteil hatte er gerechnet. Nicht damit, dass es von einem del'hayschen Energiering umspannt wurde, einem blau schimmernden Gebilde, dem er seit über zweitausend Jahren nicht mehr begegnet war. Icho Tolot hatte das Gefühl, ihm sei jäh der Boden unter den Füßen weggerissen worden.
Seltsamerweise dachte er nicht daran, wie er die zusätzliche Sicherung aufbrechen konnte, sondern daran, dass er schon lange nichts von seinen terranischen Freunden gehört hatte. Er trug einen Zellaktivator und wäre deshalb aufzuspüren gewesen.
Hatte man ihn auf Terra fallen lassen, nachdem er dort wie ein Berserker getobt hatte?
Die GELOMAR war eines der Suchschiffe, deren Besatzungen seit Wochen versuchten, eine Spur des Haluters zu finden.
Kommandant und Pilot Ender Gardener schaltete den Autopiloten ein, als das Raumschiff das Gynriss-System verließ, in dem es seine Vorräte ergänzt hatte. Er blickte den Positroniker Jan Boarless voller Skepsis an. »Du kannst mir sagen, was du willst. Ich bleibe bei meiner Ansicht, dass du dir Mist hast andrehen lassen. Das Peilgerät ist nicht in Ordnung.«
Boarless war etwa vierzig Jahre alt, mit strähnigem schwarzem Haar und bleichem Gesicht. Er hielt den Kopf stets leicht gesenkt, als fürchte er, von irgendeiner Seite Schläge einstecken zu müssen. Der Vorwurf des Piloten überraschte ihn nicht, beleidigte ihn aber zutiefst.
»Von dir habe ich nichts anderes erwartet, Ender«, erwiderte er. »Du hast von diesen Dingen keine Ahnung. Weil du fürchtest, für dein Versagen verantwortlich gemacht zu werden, redest du solchen Unsinn.«
Die Stimmung an Bord war angespannt. Die GELOMAR gehörte vierundzwanzig Männern und Frauen, die gemeinsam ein Such-und Bergungsunternehmen errichtet hatten. Gardener hatte die Mitgesellschafter davon überzeugt, dass es lohnend sei, nach Icho Tolot zu suchen. Dafür hatten sie auf einen anderen, gut dotierten Job verzichtet.
»Was willst du?«, fragte der Pilot. »Sollen wir abbrechen und uns um irgendeine Bergung bemühen? Dann nenne mir einen einzigen Notruf, den du aufgefangen hast. Zurzeit scheint nichts los zu sein. Also, was bleibt uns?«
»Ich habe nichts dagegen, dass wir weitersuchen«, erwiderte Boarless. »Ich weiß, dass meine Geräte in Ordnung sind.«
Der korpulente Chefingenieur betrat die Zentrale. Er hatte die letzten Worte gehört. »Woran liegt es dann, dass wir keinen Erfolg haben?«, fragte er spöttisch.
Boarless presste die Lippen zusammen. Er konnte John Fall nicht ausstehen. Die überlegene Art, die der Chief stets an den Tag legte, ließ eine starke Abneigung in ihm aufkommen.
»Das wisst ihr genau«, erwiderte der Positroniker. Wie so oft merkte er nicht, dass die anderen ihn bewusst herausforderten und sich über seine Empfindlichkeit amüsierten. »Die Zeitweiche ist wie ein Störfeuer. Die von ihr ausgehende Strahlung überlagert die Impulse, die von Tolots Zellaktivator ausgehen. Wenn die Zeitweiche nicht
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