SB 122 – Gefangene der SOL
Seite, weil die Felsen erneut geheimnisvolles Leben entwickelten. Die Steine drehten sich, polterten gegeneinander und schichteten sich auf, als würden sie von unsichtbarer Hand bewegt.
Die gesamte Felslandschaft schien in Bewegung geraten zu sein, und nirgendwo gab es ausreichend Sicherheit.
Mit einem weiten Satz schnellte sich der Haluter zu einer Klippe hinüber, merkte, dass sie nach ihm griff, und jagte weiter. Von Panik erfasst, wagte er sich weiter an den Rand der Dämmerzone heran, bis die Hitze den Kampfanzug durchdrang. Er sprang von einer Felskuppe über flüssiges Blei hinweg zu einem fast zwanzig Meter entfernten Felsen und von dort zum nächsten.
Die sengende Hitze trieb ihn in den Bereich des ewigen Zwielichts zurück. Sein Kampfanzug war im Bereich der Oberschenkel an drei Stellen aufgerissen. Tolot verwendete die letzten Gewebepflaster, die er hatte, um die Risse abzudichten. Dabei blickte er sich suchend um. Nirgendwo in der Umgebung schien eines der Felswesen zu sein, sodass er sich nicht unmittelbar bedroht fühlte.
Dennoch war ihm klar, dass er nicht länger hierbleiben durfte. Die Steinwesen bewegten sich langsam, sie schienen in Massen aus der ewigen Nacht der sonnenabgewandten Seite zu kommen. Früher oder später würden sie ihm allein durch ihre schiere Masse keinen Ausweg lassen.
Er musste zur Kuppel.
Plötzlich erwachte das Fremde wieder in ihm, das ihn über lange Zeit hinweg beeinflusst hatte. Der Gedanke an das Depot wurde erneut stärker. Zugleich wuchs sein Verlangen, die Kuppel zu betreten.
Ich bin nicht zufällig hier, dachte Icho Tolot erneut. Es hat mich nach Arxistal geholt. Dabei hätte ich viel leichter an Bord der Evakuierungsschiffe kommen können, mit denen die Kolonisten geflohen sind. Mein Ziel kann nur diese Kuppel sein.
Warum hatte jene fremde Macht ihn nicht früher spüren lassen, dass es die Kuppel gab? Hatte sie es selbst nicht gewusst?
Das wäre immerhin möglich, überlegte er. Die Kuppel liegt in einem Bleisee. Das flüssige Metall könnte sie so abgeschirmt haben, dass sie unauffindbar für jeden Fremden geworden ist.
Warum hatte er sie gefunden? Zufall? Hatte sich die fremde Macht daran erinnert, wo die Kuppel war, oder hatte sich irgendetwas verändert?
Icho Tolot raste über die Felsen bis zum Ufer des Bleisees, der im Sonnenlicht glänzte, als sei er mit Milliarden von winzigen Diamanten überdeckt.
Der obere Teil der Kuppel war zu sehen. Der Haluter erinnerte sich, dass er ihn vorher nicht bemerkt hatte. Er hatte über den See geblickt, ohne dass ihm etwas aufgefallen war.
Das Blei fließt ab! Der Flüssigkeitsspiegel ist gesunken.
Kaum war ihm dieser Gedanke gekommen, als ihm auch schon klar wurde, was er tun musste.
Wenn du das Ufer einreißt, läuft der See leer, und du kannst zur Kuppel gehen, dachte er und wurde zum kühl rechnenden Wissenschaftler. Er schien frei von jedem fremden Einfluss zu sein, nichts behinderte ihn.
Tolot entdeckte eine Stelle am Felsenufer, die ihm brüchig erschien. Da sie zudem schmal war, stürzte er sich auf dieses Uferstück und brach einige Gesteinsbrocken heraus. Schnell sprang er zurück.
Weiß glühendes Blei schoss ihm so wild entgegen, dass er dem Verderben nur knapp entging. Hastig zog er sich weiter zurück bis zu einem Felsen, an dem er in Sicherheit zu sein schien. Er beobachtete, wie das Metall durch die Lücke strömte, dann rasch erkaltete und sich verhärtete. Innerhalb weniger Minuten wuchs ein Wall aus Blei neben ihm auf, der verhinderte, dass mehr Masse aus dem See abfließen konnte.
Enttäuscht stellte Tolot fest, dass der Bleispiegel im See bestenfalls minimal abgesunken war. Es sah aus, als habe sich nichts verändert.
Er umrundete das erhärtete Metall und eilte am Seeufer entlang, wobei er sich so weit wie möglich im Schatten hielt. Wiederholt glaubte er, Bewegungen in seiner Nähe zu bemerken, doch er entdeckte keine weiteren Felswesen.
Schließlich erreichte er die steil abfallende Wand einer wenigstens zweihundert Meter breiten Schlucht. Ihre Tiefe konnte der Haluter nicht erkennen, sie schien unergründlich zu sein. Eine Barriere von nur wenigen Metern Stärke trennte die Schlucht von dem Bleisee.
Hier boten sich ihm ideale Voraussetzungen für sein Vorhaben. Allerdings war ausgeschlossen, dass er die Felswand mit bloßen Händen einriss. Wenn er das tat, würde das glutflüssige Metall ihn hinwegschwemmen und verbrennen. Ihm blieb nur eine Möglichkeit. Er musste den
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