SB 122 – Gefangene der SOL
schon aufräumen.«
»Du glaubst, dass Doevelynk dann noch hier ist?«, fragte Mallagan spöttisch. »Die Entführer werden den Tart schnellstens wegschaffen – oder ihn umbringen. Wir können natürlich sagen, dass uns das nichts angeht, aber das wäre ein gefährliches Spiel. Doevelynk wurde betäubt und gefesselt, ehe sie ihn wegschleppten. Wir dagegen sind dem Kranen gefolgt, ohne von einer einzigen Waffe gezwungen zu werden. In Doevelynks Umgebung gab es Dutzende Kameras. Wenn uns nur eine davon aufgenommen hat, als wir den Saal verließen, wird jeder annehmen, dass wir zur Bruderschaft gehören.«
»Wir können beweisen, dass es sich anders abgespielt hat«, behauptete Faddon.
»Wie lange wird man dir Zeit lassen, das zu erklären? In der Stadt laufen Zehntausende aufgeregte Tarts herum. Was meinst du wohl, was die tun, sobald sie uns zu Gesicht bekommen?«
»Sie werden nicht gleich schießen«, sagte Scoutie. »Wie sollten sie dann erfahren, wo ihr Meisterspieler steckt?«
»Ich verlasse mich nicht gern darauf, dass bestimmte Leute so vernünftig handeln, wie ich es mir wünsche«, erklärte Mallagan. »Der einzig sichere Schutz, den wir uns verschaffen können, ist Doevelynk selbst. Wenn er bei uns ist, wird niemand auf uns schießen.«
»Mit anderen Worten, du willst den Tart befreien«, sagte Faddon gedehnt. »Was machen wir, wenn Doevelynk gar nicht mit uns gehen will? Wenn die Bruderschaft ihn schon bekehrt hat?«
»Vielleicht müssen wir Gewalt anwenden.«
»Wir wissen nicht einmal, wo sie den Tart gefangen halten«, wandte Scoutie ein. »Sollen wir stundenlang nach ihm suchen?«
»Das ist nicht nötig«, wehrte Mallagan ab. »Als ich zu euch gebracht wurde, habe ich Doevelynk gesehen und mir seine Zellentür gemerkt.«
»Surfo hat recht«, sagte Faddon schließlich. »Nur wenn wir Doevelynk befreien, können wir glaubhaft versichern, dass wir nichts mit der Bruderschaft zu tun haben.«
»Wie öffnen wir die Tür?«, fragte Scoutie ratlos.
»Das wirst du gleich sehen.« Mallagan ging zur Wasserleitung. Er hatte das gnomenhafte Wesen bei der Reparatur beobachtet, wie der Erleuchtete es ihm geraten hatte. Er musste seinen Gefährten eine glaubwürdige Flucht bieten. Es ging nicht an, dass die Tür nicht richtig geschlossen wurde oder ein Wächter den Schlüssel »verlor«. Den Trick mit der Wasserleitung würden Scoutie und Faddon hoffentlich nicht durchschauen.
Das neue Rohr bestand aus hartem Kunststoff. Es war auf den in der Wand sitzenden metallenen Stumpf nur aufgesteckt und mit einer plastischen Masse abgedichtet worden. Auf diese Masse hatte Mallagan es abgesehen – und auf das Rohr ebenfalls. Mit einiger Mühe gelang es ihm, das Rohr von dem Stumpf herunterzuziehen. Wieder brach ein dicker Wasserstrahl aus der Wand. Mallagan füllte das Rohr, hielt es an einem Ende mit der Handfläche zu und reichte es an Scoutie weiter.
»Verschütte nichts!«, mahnte er und machte sich daran, die Reste der klebrigen Masse aus der Wandöffnung zu kratzen. Es war eine mühselige Arbeit, aber endlich hatte er einen kleinen Klumpen von der gut formbaren Masse zusammen. Während Scoutie das Kunststoffrohr hielt, klebte Mallagan den Klumpen an dessen oberen Rand und formte eine Tülle aus. Dann ging er zur Tür.
Die Zellen waren – nach kranischen Begriffen – ausbruchssicher. Selbst gegen Nässe war das elektronische Schloss gesichert, die feinen Ritzen rund um die Kontaktstelle wiesen eine wasserdichte Haut auf. Ein Gefangener, der auf normale Weise versuchte, diese Haut zu entfernen, brauchte unweigerlich zu viel Zeit.
Aber Mallagan hatte den Klebstoff und das Rohr und benötigte nur eine winzige Öffnung, um seinen Plan umzusetzen. Als er mit seinen klebrigen Fingern über die Plastikhaut strich, zeigte sich, dass das Material von dem Klebstoff angegriffen wurde. Schon nach wenigen Minuten entstand ein sehr feiner Riss. Sorgfältig drückte Mallagan die klebrige Tülle gegen die Tür und formte die Masse so lange, bis das Wasser durch die dünne Spalte laufen musste.
»Wenn das nur gut geht«, murmelte Scoutie skeptisch.
»Wenn wir Pech haben, bleibt der Sperrmechanismus geschlossen«, gab Mallagan zu. »Aber wir haben keine andere Wahl, als es zu versuchen oder hierzubleiben.«
Vorsichtig hob er das Rohr an. Unendlich langsam, Tropfen für Tropfen, sickerte das Wasser durch den Spalt.
Brether Faddon setzte zu einer ungeduldigen Bemerkung an, doch fast gleichzeitig klickte es vernehmlich.
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