Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)
desto rauer wurde es. Das war die Gegend, wo ich wohnte.
Es begann mit den verlassenen Reihenhäusern. Viele sackten einfach in sich zusammen, die Fenster zertrümmert, die Dächer löchrig oder voll mit Tauben und Vogelscheiße. In so etwas war ich aufgewachsen, in einer Sackgasse anderthalb Stunden Fahrtzeit vom nächsten urbanen Zentrum entfernt.
Eine sichere Unterkunft, ein geschützter Ort, um den Nachwuchs aufzuziehen.
Zumindest dachten wir das damals.
Und die ganze Zeit brannten wir uns unseren Weg mit dem Auto zur Arbeit und zurück.
Damals.
Jetzt waren diese künstlichen Gärten und Holzhäuser verlassen, zumindest die meisten, damit das Land sie für sich zurückerobern konnte.
Am äußersten Rand der Wildnis ließ ich Maggie in die Einfahrt einbiegen. Ich zog einen Hunderter aus der Tasche, aber sie schüttelte den Kopf. »Wollen wir mal schauen.«
Sie folgte mir hinein. Ich war mir nicht sicher, worum es ging, aber schließlich war Maggie die Einzige, die mich Reg nennen durfte.
»Willkommen in der Casa Stratton.« Ich deutete mit einer Geste auf die anderthalb Hektar Gemüsegarten und das große Gewächshaus, das ich aus Fenstern gebaut hatte, die aus den Häusern tiefer in der Wildnis stammten.
»Verdammt, das ist ja ein Herrenhaus«, erklärte Maggie.
»Das Haus gehörte irgendeiner einstmals reichen Familie, vor langer, langer Zeit. Die Stein- und Ziegelmauern sind der Grund, warum es nie für Dampfmaschinen oder für die Öfen im Winter verheizt wurde.«
»Und es gehört dir?«
Ich schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht.« Hier gehörte niemandem etwas. Das hätte bedeutet, dass man Steuern zahlen musste. Diese Häuser waren verlassen, aber man konnte sie nicht kaufen, weil niemand Besitzansprüche darauf erhob, weil das eine rückwirkende Steuerschuld bedeutet hätte, plus Zinsen, und das über Jahrzehnte. All diese Gebäude existierten in einer Zwischenzone, genauso wie die Wolkenkratzer im äußeren Stadtbereich – die Slumps. Beste Immobilien, aufgegeben, ohne dass sie tatsächlich jemandem gehörten, und aus diesem Grund unrenovierbar.
Ich kannte eine Menge Leute, die ihren rechten Hoden hergeben würden, um in den nicht weit entfernten Wolkenkratzern leben zu können. Stattdessen wurden sie von privaten Sicherheitsfirmen bewacht oder hatten sogar einen Dienstleistungsvertrag mit Edgewater. Die Besitzer sorgten dafür, dass die Gebäude nicht mehr bewohnt wurden, aber es ließ sich nie ermitteln, wer die Besitzer waren. Sie warteten darauf, dass die guten Zeiten zurückkehrten.
Wer würde nicht töten, um näher am Stadtzentrum zu wohnen? Dort konnte man sich von den Megakonzernfarmen beliefern lassen, wo sich viele Menschen leicht erreichen ließen. Keine eigene Gartenarbeit mehr, keine stundenlangen Fahrten, deren Kosten den größten Teil des Monatseinkommens verschlangen.
»Sieht aber nett aus«, sagte Maggie. »Wenn du ein Zimmer übrighast, ziehe ich ein. Aber mach dir keine falschen Hoffnungen, es wäre eine reine Geschäftsbeziehung.«
»Willst du ihn verlassen?«
Maggie sah mich verwirrt an, dann berührte sie den blauen Fleck unter ihrem Auge und lachte. »Du glaubst, das war ein Kerl? Nein, es waren ein Haufen Kerle. Eddies.«
»Was hast du getan, dass die Eddies so sauer auf dich waren?«
»Hab mich in einem Penthouse in den Slumps versteckt. Und sie haben mich gefunden.«
»Aha. Also willst du bei mir couchsurfen?«
»Im Austausch für die Hälfte der Kosten deiner Busfahrkarte. Ich zahle nicht viel für mein Auto.« Sie lud den Wagen während der Arbeit auf, irgendeine Vereinbarung mit den Clubbesitzern. »Außerdem fahren die Busse immer unregelmäßiger – und bald vielleicht gar nicht mehr.«
Eine Halbierung meiner Fahrtkosten. Das klang unbedenklich.
Ich erklärte mich einverstanden und zeigte ihr ein unbewohntes Zimmer. Davon gab es sieben. Keine Schwierigkeiten, außer eine hübsche Mitbewohnerin zu haben, die nicht im Geringsten an mir interessiert war.
Willkommen in der Armenherberge, dachte ich. Aber das war immer noch besser, als von Edgewater aus der Stadt vertrieben zu werden. Ich hatte den gleichen Fehler wie Maggie begangen, als ich damals ins Stadtzentrum gekommen war und einen leeren Wolkenkratzer als gute Gelegenheit betrachtet hatte.
Zum Glück hatte ich genug Geld dabeigehabt, um die Verhaftungsgebühr bezahlen zu können und von Edgewater freigelassen zu werden.
Ab und zu fragte ich mich, was mit den Obdachlosen geschah, die von
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