Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)
den Eddies gefasst wurden und nicht bezahlen konnten.
Am späteren Abend, nachdem Maggie bereits tief und fest schlief, trat ich in den Hinterhof und hinaus in die Wildnis. Als Überlebenstraining. Ich zog durch den Wald und die Vorstadtruinen.
Mein Schlupfloch war etwa drei Kilometer von meinem Haus entfernt, gleich neben einer alten Eiche. Ich hatte mein gesamtes Vermögen in einer Stahlkiste an einer dicken Wurzel vergraben.
Geld konnte an Wert verlieren, klar, aber das betraf jeden gleichermaßen. Bargeld, das man hatte und verstecken konnte, ließ sich von keinem Hacker, Betrüger, Anwalt, Edgewater-Lakaien oder Staatsbeamten wegnehmen.
Viel Glück beim Aufspüren dieses Schatzes in der Wildnis.
Während der Fahrt am nächsten Morgen erzählte Maggie von den verschiedenen Städten, in denen sie sich als Barkeeperin durchgeschlagen hatte. Wie sie auf den Rücksitzen ihres Autos gewohnt hatte, es aufgeladen hatte und weitergezogen war. Sie hatte die Ostküste gesehen, erzählte sie mir. Jetzt bewegte sie sich weiter durch den Mittelwesten, obwohl sie sich nicht sicher war, wie der Wagen auf dem offenen Land zurechtkam. Sie überlegte, ob sie auf einen Ochsen sparen sollte. Oder vielleicht ein Maultier. Um das Fahrzeug ziehen zu lassen, wenn die Energie aufgebraucht war oder sie kein Benzin bekam, um den Generator hinten im Wagen aufzufüllen.
»Tagsüber fahren, dann unter den Sternen schlafen, jeden Tag etwas Neues sehen. Das werde ich niemals aufgeben«, sagte sie.
Ich lag zusammengesackt am Beifahrerfenster in meiner üblichen morgendlichen Benommenheit und beobachtete, wie die schmutzigen Gehwege vorbeizogen. Dort türmte sich eine Menge Müll. Jede zweite Woche wurde abgeholt.
Aber es gab auch etwas Neues zu sehen. Eigentlich hätte ich es schon bei den Busfahrten in die Stadt bemerken müssen, aber man kam ja kaum dazu, aus dem Fenster zu blicken, weil man damit beschäftigt war, im Gang stehend das Gleichgewicht zu halten. Die holprigen Straßen zwangen einen zu ständiger Konzentration beim Festhalten, wenn man keinen Sitzplatz ergattert hatte.
Menschen schlenderten auf den Gehwegen herum.
Normalerweise hätte ich gesagt, dass sie obdachlos waren, aber sie wirkten nicht wie Feld-Wald-und-Wiesen-Obdachlose. Sie waren ausnahmslos glatt rasiert und gut gekleidet. Die Frisuren reichten von punkig über steif bis kopfüber. Viele trugen graue Anzüge, manche lose Ponchos.
Sie alle saßen an der Straße und beobachteten, wie der Verkehr und das Leben vorbeizog. Manche winkten, als wir sie passierten. Einer saß neben einem großen Plastikwürfel, der sich selbst zusammenfaltete. Irgendein mobiles Zelt, das am Straßenrand errichtet worden war.
Die meisten sammelten sich in der Nähe der ausgedienten Wolkenkratzer des äußeren Rings. Als wir das Stadtzentrum erreichten, wurden sie weniger. Doch dann kamen wir an einem letzten Paar vorbei, das auf Klappstühlen saß. In den Händen hielten die beiden Fruchtsaftgetränke mit kleinen Schirmchen im Glas.
»Hör mal«, sagte Maggie. »Brauchst du immer noch dringend Geld?«
»Ja.« Zwei Männer in blauen Nadelstreifenanzügen lehnten sich gegen eine Ecke und sprachen in ihre Headsets. Damit kannte ich mich aus. Diese Kerle waren ein Spähtrupp. Darauf hätte ich das Trinkgeld eines ganzen Tages verwettet.
Was, zum Teufel, ging in den Slumps vor sich? Ich musste den Nachrichten etwas mehr Beachtung schenken, denn ganz gleich, was es war, die Eddies würden sich schon bald darum kümmern. Falls es irgendwo im Stadtzentrum Ärger gab, wollte ich es erfahren, bevor der Ärger mich erreichte.
»Ich habe nicht ohne Grund die letzte Nacht da draußen geschlafen. Es gibt jemanden, der mir einen Wochenlohn gezahlt hat, wenn ich versuche, für eine Nacht Unterschlupf in den Slumps zu finden«, sagte Maggie. »Ich war knapp bei Kasse, konnte mir das Hotel nicht mehr leisten, in dem ich gewohnt hatte.«
»Unheimlich?«
»Inst-Arbeit. Anonym. Irgendeine Software ist mein zweiter Chef. Ich habe den Job auf einer Liste gefunden. Sie suchen in Detroit nach Leuten, die Dinge in der Stadt erledigen. Ziemlich wahllos. Am ersten Tag habe ich ein Paket von einem Tresen in einem Hotel abgeholt und an einen Fahrradkurier ausgeliefert, der nur zehn Blocks entfernt war. Ein paar Tage später musste ich zu einem bestimmten Parkhochhaus gehen, bis ganz nach oben, und von dort Papierknäuel hinunterwerfen. Kam mir ziemlich seltsam und sinnlos vor. Wurde aber gut bezahlt.
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