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Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Titel: Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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bestochen worden war. Oder falls …
    Es gab recht viele Eventualitäten, die ihr Sorgen machten.
    Als Homer sich abstieß, folgte Cadie ihm. Sie glitten in den gemäßigten Verkehr wie zwei Fische, die sich ihrer Schule anschlossen. Homers Fahrrad war so abgewetzt wie seine Schuhe, von grauer, stumpfer Farbe, aber Cadie kannte sich ein wenig mit Fahrrädern aus und sah, dass das Gestell unter der vernachlässigten Lackierung aus einer Titanlegierung bestand. Sie glaubte, anhand des Umrisses das Modell bestimmen zu können, falls sie in einem Quiz danach gefragt würde.
    Es war nicht leicht, ein Fahrrad zu schieben, aber ähnlich war es mit dem Versuch, sich zu unterhalten, während man durch den Stadtverkehr radelte. Das Gespräch musste warten, bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Trotzdem kam sie in einer Verkehrsflaute an seine Seite und rief: »Wohin fahren wir?«
    »Zum geheimen Klubhaus!«, rief er zurück.
    Vielleicht sollte sein Grinsen sie aufmuntern, damit es sich wie ein kleines Abenteuer anfühlte. Wenn sie nicht vor Adrenalin und Bedenken gezittert hätte, wäre sie vielleicht in der Lage gewesen, das Grinsen zu erwidern.
    Und wenn sie einen Stock dabeigehabt hätte, hätte sie ihn dem Mistkerl zwischen die Speichen gerammt.

    Nach dem Tacho an ihrem Lenkrad ließ er sich etwa zehn Kilometer weit von ihr verfolgen. Der Verkehr war im Dunkeln dünner geworden und fast völlig versiegt, als sie in die Auffahrt zu einem bescheidenen, baumlosen Ranchhaus abbogen, hinter dem die Interstate verlief. Ein Fahrradständer stand nicht weit von der Tür, abgeschirmt durch eine verwitterte Palisade, die aussah, als wäre sie aus anderen Zaunteilen recycelt worden. Vier Fahrräder – keins davon so ramponiert oder unauffällig wie Homers – waren dort bereits abgestellt worden. Homer schob sein Fahrrad in den fünften Stellplatz und schloss es ab.
    Cadie tat es ihm nach, aber sie berührte nur den Schlüssel und ließ ihn erneut abgleiten. Manchmal rechtfertigte die Möglichkeit einer schnellen Flucht ein kleines Risiko.
    Sie nahm zwei tiefe Atemzüge, um ihren Herzschlag zu verlangsamen, und stellte sich an Homers Seite, als er genau vor die Haustür trat. Die Marken an seiner linken Hand klimperten, als er sie auf den Knauf legte. Ein biometrischer Scanner im Türgriff schimmerte blau durch seine Finger, bevor sich das Schloss klickend öffnete.
    Homer drückte die Tür auf und trat zur Seite. »Ladies first.«
    »Oh«, sagte Cadie. »Wohl kaum.«
    Wie viele Frauen werden verletzt oder getötet, weil sie nicht unhöflich erscheinen wollen?
    Sie wartete, während Homer überlegte, dann nickte und schließlich vor ihr eintrat. Ihn vorausgehen zu lassen bot ihr vielleicht gar keinen Schutz, aber wenigstens wäre er dann nicht zwischen ihr und der Tür, falls sie in einen Hinterhalt geriet. Sie dachte daran, das Schloss außer Funktion zu setzen, als sie durch die Tür ging, aber der Versuch wäre zu offensichtlich, und die Erfolgsaussichten waren gering. Sie begnügte sich damit, die Tür offen stehen zu lassen, und war für einen kurzen Moment überrascht, dass er sich nicht umdrehte, um sie zu schließen.
    Die einzige Person, die im gemütlich beleuchteten Wohnzimmer wartete, war eine Frau mittlerer Größe. Sie hatte ihr graues Haar mit Nadeln zu einem Dutt zusammengesteckt – eine Frisur, die Cadie seit mindestens einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen hatte. Zumindest nicht in Amerika. Cadie wusste, dass ihre Abneigung gegenüber Männern keinen vernünftigen Grund hatte. Ihr war klar, dass sie keine Erleichterung hätte empfinden dürfen, aber bei solchen Dingen spielte die Logik keine Rolle. Frauen wirkten beruhigend. Sie bedeuteten Sicherheit und Solidarität.
    »Bitte«, sagte die Frau. »Setzen Sie sich.«
    Cadie blieb neben der Tür stehen und machte kein Geheimnis daraus, dass sie das Wohnzimmer und alles, was sich darin befand, einer gründlichen Musterung unterzog. Ein kleiner kastenförmiger Raum, der im Secondhand-Chic eingerichtet war. Das grüne Samtsofa war mindestens hundert Jahre alt und seit mindestens einem halben Jahrhundert nicht mehr renoviert worden. Die Tapeten blätterten ab, und als sich Cadies Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, erkannte sie, dass die Lampen auf den Beistelltischen nicht elektrisch, sondern mit Kerosin betrieben wurden.
    »Nein, danke.« Sie hätte gern die Arme verschränkt, aber es war klüger, die Hände frei zu haben, falls sie sie benutzen musste. »Wer

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