Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)
Blick, der normalerweise geistig minderbemittelten oder inkompetenten Menschen vorbehalten war. »Das ist mein Hund Archie.«
Cadie, die sich mit Kindern auskannte, klärte Firuza nicht auf, dass sie gar keinen Hund hatte. Es gab einen Hund in der Krippe, aber er hieß Rudolph, und er war ein Golden Retriever und kein riesiges braunes Fellbündel wie der Hund auf dem Bild. »Dein Hund?«
Firuza nickte ernst. »Der, den wir bekommen, wenn ich wieder mit dir zusammenwohnen kann«, sagte sie und beschmierte Cadies widerspenstigste Dreadlock mit blauer Farbe.
Auf dem Weg nach draußen blieb Cadie an James’ Schreibtisch stehen, um ihre Sachen abzuholen und die Rechnung zu bezahlen. Als sie durch den Korridor zurückging, war der Himmel lavendelblau.
Sie lehnte sich gegen die irreführende Fassade der Krippe und gönnte sich einen Moment, um ihre eigene wiederherzustellen. Die Pause war mehr als ein kurzes Verschnaufen – sie war ihre Gelegenheit, die Umgebung zu beobachten, bevor sie zu ihrem Fahrrad hinunterging.
Niemand in Sichtweite.
Sie öffnete die Radschlösser und stieg ohne Zwischenfall auf. Doch als sie durch die säuerlich riechende Gasse rollte, um eine Straße zu überqueren, auf der der Abendverkehr vorbeiströmte, löste sich eine Silhouette von der linken Wand und trat vorsichtig auf sie zu, beide Hände auf Kopfhöhe erhoben.
Cadie zögerte, mit einem ausgestreckten Bein auf dem Pedal stehend, im Leerlauf rollend. Anhalten oder verschwinden? Sie hatte genug Tempo drauf, um an ihm vorbeizusausen, ihn zur Seite zu stoßen und die Gasse hinter sich zu lassen. Detroit hatte ein paar Steigungen, aber es war nicht mit San Diego zu vergleichen, wo sie eine Weile gelebt hatte. Zu Fuß würde er sie niemals einholen …
Etwas klimperte am Handgelenk der Gestalt und warf Regenbogenfarben an die schmutzigen Wände. »Cadence Grange?«, sagte er. Obwohl seine Stimme nicht genauso klang wie vorher, als er ihr nachgerufen hatte, erkannte sie sie trotzdem wieder.
Cadie stellte sich auf die Rücktrittbremse, und das Fahrrad wankte leicht, als sie es mit einem Balanceakt zum Stehen brachte. »Wer will das wissen?«
Er sagte, sein Name sei Homer, was Cadie – nachdem sie sich in einer Nische eines Billigrestaurants verkrochen hatte – zu der Frage veranlasste: »Wer nennt sein Kind heutzutage noch Homer?«
»Meine Eltern waren Simpsons -Fans.« Er nahm einen Bissen von dem, was heutzutage als Hamburger verkauft wurde, und wischte sich Mayonnaise vom Kinn, während Cadie ihn musterte. Er schien Mitte zwanzig zu sein, hatte leichte Sommersprossen auf den Wangen, sein Haar stand ihm in willkürlichen Richtungen in etwa fünf Zentimeter langen Strähnen vom Kopf ab. Sein T-Shirt wies einen Schweißfleck rund um den Kragen auf, seine Unterarme hatten sehnige Muskeln unter den hochgerollten Ärmeln seiner Cargojacke, und ein Marine-Corps-Ring, der ein kleinerer Vetter von dem war, den Cel trug, glitzerte auffällig an seiner Hand. Bevor er sich setzte, hatte sie bemerkt, dass seine Stiefel an den Spitzen zerkratzt waren, so tief, dass stellenweise die Stahlkappen durchblitzten, und die Schnürsenkel waren sichtlich abgewetzt. Und nun sah sie die Schwielen und die rissigen Fingernägel an seinen Händen.
»Was machen Sie?«, fragte sie.
»Nicht ›Woher wissen Sie meinen Namen?‹ oder ›Was wollen Sie von mir?‹« Ein weiterer Bissen vom Hamburger. Er spielte auf Zeit. Er schob ihr die Papiertüte mit den Pommes frites zu, während er kaute.
Sie hatte die Hände um die beschlagene Tasse Eistee verschränkt, die er ihr ausgegeben hatte, und blickte stirnrunzelnd auf die Pommes. Ihr Magen knurrte, aber zu Hause warteten brauner Reis und Bohnen auf sie, und wenn sie Glück hatte, gab es auf dem Markt, der auf ihrem Weg lag, die günstigen zerquetschten Orangen aus Florida, die sie sich gerade noch leisten konnte. Bohnen und brauner Reis und Orangen waren zwar keine üppige Mahlzeit, aber daran fehlte nichts, worauf man nicht eine Zeit lang verzichten konnte. Manchmal ergatterte sie auch etwas Gemüse oder eine Zitrone oder Limone. Sie kam ganz gut zurecht. Zumindest besser als manche anderen Leute.
»Nein danke«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wo das gewesen ist.«
Er lachte und hielt sich dabei eine Serviette vor den Mund. »Ich bin ein Blogger«, sagte er.
»Aha.« Sie hatte den Eindruck, dass er etwas mehr erwartet hatte, also drückte sie die Hände auf den Tisch und sagte: »Und davon können Sie
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