Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)
leben?«
Er legte den Burger ab. Der Geruch war eigentlich gar nicht besonders appetitanregend, auch wenn sie den grauen Inhalt nicht hätte sehen können, aber ihr lief trotzdem das Wasser im Mund zusammen. Er wischte sich die Hände ab, bevor er bedeutungsvoll am ausgefransten Ärmelaufschlag seiner Cargojacke hantierte. »Ich komme zurecht. Und wenn wir hier schon erstes Rendezvous spielen: Was machen Sie?«
Die Übereinstimmung der Worte veranlasste Cadie, die Augenbrauen hochzuziehen. Scheiß drauf , dachte sie. »Wissen Sie das nicht längst?«
Es hätte ein Zwinkern, ein Zusammenzucken oder ein nervöser Tick sein können. Was auch immer es war, anschließend sah er sie mit ruhigem Blick an, während sein Gesichtsausdruck allmählich in ein Stirnrunzeln überging.
Er wollte sie brechen, dachte sie, damit sie die Augen niederschlug oder zur Seite schaute. Stattdessen hob sie das Kinn leicht an, starrte ihn über den Nasenrücken an und legte ebenfalls die Stirn in Falten.
Schließlich lachte er schnaufend, verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. »Also gut.« Er griff unter seine Jacke und zog etwas hervor, das er in der geschlossenen Hand hielt. Cadies Finger hatten sich bereits um ihr Butterflymesser gelegt, als er die Hand herumdrehte und ihr ein persönliches Omnikommunikationsgerät zeigte. Auf dem neuesten Stand der Technik, matter rötlicher Metalliclack, mit berührungsempfindlicher Textur. Als er mit dem Daumen darüberstrich, klappte es auf, und ein Display kam zum Vorschein. Ein Bild von ihr baute sich mit digitaler Schärfe auf, ein Schnappschuss vom Stinkefinger neben ihrer Pobacke und darunter das Kennzeichen ihres Fahrrads. »Sehen Sie?«, sagte er. »Kein Geheimnis.«
Sie entspannte sich ein wenig, ließ das Messer aber noch nicht los. »Und auf diese Weise pflegen Sie sich ein Rendezvous zu verschaffen?«
»Nein«, sagte er. »Auf diese Weise verschaffe ich mir die Gelegenheit zu einem Angebot. Ich weiß nämlich, dass Ihr Name nicht Cadence Grange ist.«
Sie war überzeugt, dass ihrem Gesicht keine Regung anzusehen war. Sie hatte es vor dem Spiegel geübt. Doch der durchbohrte Griff ihres Messers hinterließ Kerben in ihrer Handfläche, als sich ihre Faust darum schloss.
Das war in Ordnung. Homer konnte ihre Hand in der Hosentasche nicht sehen, und die Tischkante versperrte ihm den Blick auf ihren Unterarm, falls sich die Muskeln angespannt hatten. »Tatsächlich? Das ist mir neu.«
Ihre Leugung ließ sein Grinsen etwas breiter werden. »Wieso war mir klar, dass Sie diesen Bluff durchziehen werden?« Er schüttelte den Kopf, ohne sie aus den Augen zu lassen, konzentriert wie eine Katze vor einer Mauerritze.
Cadie fragte sich, ob er das Pochen ihres Herzens hören konnte, ob er irgendwie den kalten Schweiß an ihren Händen spürte, oder wie sich ihr Magen vor Übelkeit verkrampfte.
»Also gut.« Er senkte die Stimme. »Cadence Grange war nicht immer Ihr Name.«
Er griff nach einer Pommes, während Cadie unwillkürlich wie ein ängstliches Kaninchen erstarrte. Er tunkte die Pommes in Ketchup, aß sie und zog dann ein Gesicht, bei dem sie sich fragte, ob er für sein einköpfiges Publikum die Rolle eines Schurken aus einem schlechten Film spielte oder ob er sich selbst wirklich für spaßig hielt. Wie narzisstisch musste man sein, wenn man versuchte, jemanden zu unterhalten, den man gerade zum Galgen führte?
Er spülte den Bissen hinunter, und das Eis klirrte, während er schlürfte. »Ich weiß, dass Leute nach Ihnen und ihr suchen. Und es wäre sehr schlecht für Sie, wenn man Sie finden würde. Ihr wahrer Vorname ist Scarlet, wie die Farbe Scharlachrot. Offiziell sind Sie immer noch mit einem Ausländer verheiratet, und Firuza Grange ist ebenfalls ein falscher Name – wegen des Entführungsrisikos, wie ich vermute -, und das Kind ist keineswegs Ihre Tochter.«
»Aufhören.« Sie sagte es leise, aber ihr Tonfall ließ ihn sofort verstummen. Sie ist meine Tochter, du Arschloch!
Auf die Stimme in ihrem Kopf, die es sagte, antworteten jedoch andere, wie immer. Die eine sagte: Stieftochter . Und die anderte erwiderte: Und wenn sie es ist, warum kannst du dann ihren Anblick nicht ertragen?
Sie saßen einen Moment lang schweigend da und starrten sich gegenseitig über die abgenutzte Formica-Tischplatte an, durch die Luft, die nach schnell abkühlendem Fett und verbratenem Hamburger stank.
»Was wollen Sie?«, fragte Cadie, als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte.
Homer
Weitere Kostenlose Bücher