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Scarpetta Factor

Scarpetta Factor

Titel: Scarpetta Factor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Daniels Cornwell
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und wie sie selbst umgebracht wurden. Er hatte ihnen ins Gesicht geschaut, in dem Moment der Erkenntnis, dass es vorbei war – oder eben nicht. Der Ausdruck war nie der gleiche. Wut, Hass, Erschrecken, Trauer, Leid, Angst, Verachtung, Lächeln, Kombinationen davon oder einfach nur Leere. Kein Mensch war so wie der andere.
    Der fensterlose, in Blau gehaltene Raum, in dem Marino in letzter Zeit ziemlich oft die Datenbanken durchwühlte, erinnerte ihn an den Times Square und an Nike Town. Er war von einer schwindelerregenden Ansammlung von Bildern umgeben, alle überlebensgroß und auf Flachbildschirmen. Die zwei Etagen hohe Datenwand bestand aus riesigen aneinandergesetzten Monitoren von Mitsubishi. Auf einem der Bildschirme lief eine Uhr, während die Software des Real Time Crime Center das mehr als drei Terrabyte umfassende Datenlager nach jemandem durchsuchte, auf den die Beschreibung des Mannes mit der FedEx-Mütze passte. Eine drei Meter große Aufnahme von ihm aus der Überwachungskamera war an der Wand zu sehen. Das Satellitenbild daneben zeigte das Granitgebäude am Central Park West, in dem Scarpetta wohnte.
    »Wenn er springt, wird er es nicht ins Wasser schaffen«, meinte Marino. Er saß auf einem ergonomisch geformten Bürostuhl an einem Terminal und wurde von einem Analysten namens Petrowski unterstützt. »Mein Gott, er wird auf die verdammte Brücke knallen. Was hat er sich nur dabei gedacht, die Stahltrossen hochzuklettern? Will er etwa auf einem Auto landen und einen armen Teufel in einem Mini Cooper mit ins Jenseits nehmen?«
    »Leute in seinem Geisteszustand denken nicht logisch.« Petrowski, ein Detective Mitte dreißig, trug einen ordentlichen Anzug mit Krawatte und interessierte sich nicht sonderlich für das, was in diesem Augenblick, kurz vor zwei Uhr morgens, auf der George Washington Bridge geschah.
    Er war damit beschäftigt, Suchbegriffe in eine Datenbank mit Tätowierungen einzugeben. In Vino, Veritas, In Vino Veritas, Knochen, Schädel und Sarg. Auf dem Flachbildschirm war der Selbstmordkandidat noch immer unschlüssig und hing in den Trossen, als wäre er ein Trapezkünstler, der den Verstand verloren hat. Jeden Moment würde der Wind ihn in die Tiefe reißen. Das Ende.
    »Wir haben nicht viele sachdienliche Hinweise«, stellte Petrowski fest.
    »Ja, Sie wiederholen sich«, erwiderte Marino. Er konnte das Gesicht des Selbstmordkandidaten kaum erkennen, aber vielleicht war das ja auch gar nicht nötig, da er das Gefühl nur zu gut kannte. Scheiß drauf!, hatte sich der Typ schließlich gesagt. Die Frage war nur, was er damit meinte. An diesem frühen Morgen würde er entweder sterben oder in der Hölle bleiben, die das Leben für ihn bedeutete. Warum also war er auf den Nordturm der Brücke geklettert und hatte sich von dort aus zu den Trossen vorgearbeitet? Wollte er einfach nur Schluss machen, oder wollte er ein Fanal setzen, weil er zornig war? Marino versuchte, aus seinem Äußeren, seiner Kleidung und seinem Schmuck auf seinen gesellschaftlichen Status zu schließen. Kein leichtes Unterfangen. Weite Khakihose, keine Socken, undefinierbare Turnschuhe, dunkle Jacke, keine Handschuhe. Vielleicht eine Uhr aus Metall. Er machte einen ziemlich heruntergekommenen Eindruck und war kahlköpfig. Möglicherweise hatte er ja sein Geld, seinen Arbeitsplatz, seine Frau oder alles drei verloren. Marino kannte das. Vor etwa anderthalb Jahren hatte er genauso empfunden und mit dem Gedanken gespielt, sich von einer Brücke zu stürzen. Er war kurz davor gewesen, mit seinem Pick-up das Geländer zu durchbrechen und viele Meter tief in Charlestons Coop er River zu fallen.
    »Keine Adresse bis auf die des Opfers«, fügte Petrowski hinzu.
    Damit meinte er Scarpetta. Sie war das Opfer. Es ärgerte Marino, dass er sie so bezeichnete.
    »Diese Tätowierung ist ungewöhnlich und deshalb unser bester Anhaltspunkt.« Marino beobachtete, wie der Selbstmordkandidat sich an die Trossen hoch über dem oberen Brückenbogen klammerte. Unter ihm erstreckte sich der schwarze Abgrund des Hudson. »Verdammt, sie sollen ihn nicht mit ihren dämlichen Scheinwerfern blenden! Wie vielen Millionen von Kerzen entsprechen die wohl? Inzwischen spürt er bestimmt seine Hände nicht mehr. Haben Sie eine Vorstellung davon, wie kalt diese Trossen sind? Der alte Junge sollte sich einen Gefallen tun und sich lieber eine Kanone in den Mund stecken oder eine Dose Tabletten schlucken.«
    Marino konnte nicht anders, als an sich selbst zu

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