Scarpetta Factor
Starr gekannt.
»Man kann mir keinen Strick daraus drehen, dass ich einem wildfremden Menschen dummes Zeug erzählt habe.« Diese Leier wiederholte Judd nun schon zum etwa zehnten Mal. »Fragen Sie sich doch selbst, warum ich das angeblich gesagt haben soll.«
»Ich frage aber nicht mich, sondern Sie«, entgegnete Lucy und fixierte ihn mit einem Laserblick.
»Und ich kann nur das antworten, was ich noch weiß.«
»Sie verraten uns nur so viel, wie Ihnen in den Kram passt«, gab Lucy zurück, ehe Berger Gelegenheit hatte, sich einzumischen.
»Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern. Ich hatte getrunken. Außerdem bin ich ein sehr beschäftigter Mann und habe eine Menge um die Ohren. Da ist es unvermeidlich, dass ich manchmal etwas vergesse«, erwiderte Judd. »Sie sind keine Anwältin. Warum darf sie mit mir reden, obwohl sie keine Anwältin ist?«, wandte er sich an Berger. »Eine richtige Polizistin sind Sie auch nicht, nur so eine Art Assistentin«, meinte er zu Lucy. »Woher zum Teufel nehmen Sie das Recht, mich mit Fragen zu bombardieren und zu beschuldigen?«
»Offenbar wissen Sie noch genug, um behaupten zu können, dass Sie nichts getan haben.« Lucy fand es überflüssig, sich zu rechtfertigen. An ihrem Konferenztisch, in ihrem Loft fühlte sie sich sicher. Vor ihr stand ein aufgeklappter Laptop, dessen Bildschirm einen Stadtplan zeigte. Es war ein Schachbrettmuster von Straßen in einer Gegend, die Berger nicht erkannte. »Außerdem haben Sie offenbar genug behalten, um Ihre Geschichte zu ändern«, fügte Lucy hinzu.
»Ich habe überhaupt nichts geändert, sondern kann mich einfach nicht mehr an den Abend erinnern, wann immer das gewesen sein soll«, entgegnete Judd und sah Berger hilfesuchend an. »Was wollen Sie von mir, verdammt?«
Lucy musste sich unbedingt zurückhalten. Berger hatte ihr schon eine Reihe von Zeichen gegeben, die Lucy jedoch ignorierte. Sie hätte gar nicht mit Hap sprechen dürfen, solange Berger sie nicht ausdrücklich aufforderte, Einzelheiten der forensischen Computerermittlung zu erläutern. Aber dazu waren sie noch gar nicht gekommen. Wo war Marino? Lucy führte sich auf wie seine Stellvertreterin. Allmählich wuchs in Berger ein gewisser Verdacht, etwas, das ihr bis jetzt nicht eingefallen war, und sie konnte es kaum ertragen, noch mehr an Lucy zu zweifeln. Lucy war nicht ehrlich mit ihr. Sie hatte Rupe Starr gekannt und es Berger verschwiegen. Offenbar verfolgte sie ihre eigenen Ziele. Dabei war sie weder Staatsanwältin noch bei einer Ermittlungsbehörde tätig und glaubte anscheinend, nichts mehr zu verlieren zu haben.
Berger hingegen riskierte Kopf und Kragen und konnte es sich nicht leisten, dass ein Prominenter ihrem guten Ruf schadete. Sie hatte schon genug einstecken müssen, und ihre Beziehung mit Lucy hatte die Sache nicht besser gemacht. Mein Gott, was für eine Lawine sie damit losgetreten hatte! Üble Gerüchte und Gehässigkeiten im Internet. Als männerhassende, jüdische Lesbe hatte Staatsanwältin Berger es auf einer Hitliste von Neonazis unter die ersten zehn geschafft. Ihre Adresse und weitere persönliche Informationen über sie waren veröffentlicht worden, verbunden mit der Anregung, jemand möge das Richtige tun . Hinzu kamen die christlichen Fundamentalisten, die ihr rieten, für die Reise in die Hölle schon einmal die Koffer zu packen. Berger hätte es nie für möglich gehalten, dass es so schwierig und gefährlich sein würde, ehrlich zu sein und sich mit Lucy in der Öffentlichkeit zu zeigen, ohne zu lügen und sich zu verstecken. Es hatte sie mehr gekränkt, als sie gedacht hatte. Und wozu das alles? Um zum Dank hintergangen zu werden! Wie sehr war sie getäuscht worden, und wann würde es aufhören? Es kann nicht ewig dauern, keine Sorge , dachte sie sich. Irgendwann ein klärendes Gespräch, um alles wieder ins Lot zu bringen. Lucy würde ihr von Rupe erzählen.
»Wir verlangen von Ihnen, dass Sie uns die Wahrheit sagen«, ergriff Berger das Wort, um Lucy zuvorzukommen. »Es handelt sich um eine sehr ernste Angelegenheit. Wir machen keine Scherze.«
»Ich habe keine Ahnung, warum ich hier bin. Ich habe nichts verbrochen«, entgegnete Hap Judd. Sein Blick gefiel Berger gar nicht.
Sie fand es unverschämt, wie er sie ansah und von oben bis unten musterte, wohl wissend, welche Wirkung das auf Lucy hatte. Er stellte sich ganz bewusst bockig, und Berger hatte den Eindruck, dass er sie und Lucy insgeheim auslachte.
»Ich habe das starke
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