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Scarpetta Factor

Scarpetta Factor

Titel: Scarpetta Factor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Daniels Cornwell
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Deshalb kann ich Ihnen derzeit nicht mehr verraten.«
    Und da saß sie nun, die Fackelträgerin für Diskretion und ethisches Verhalten, und musste davon ausgehen, dass jemand Grace Dariens Daten in einem nicht passwortgeschützten BlackBerry entdeckt hatte. Womöglich hatte diese Person sogar Kontakt mit der trauernden Mutter aufgenommen. Scarpetta kam nicht darüber hinweg, was Carley in den Nachrichten herumposaunt hatte – die Sache mit dem gelben Taxi, das angeblich einen Zusammenhang zwischen dem Mord an Toni Darien und Hannah Starrs Verschwinden belege. Dazu noch die Fehlinformation, verwesendes Haar von Hannah sei gefunden worden. Natürlich würde ein Reporter, insbesondere wenn er kaltblütig und sensationshungrig genug war, mit den Grace Dariens dieser Welt reden wollen. Die Liste der Verstöße gegen das Standesrecht, die sich aus dem Verlust des Telefons ergeben konnten, wurde immer länger, je mehr Scarpetta darüber nachdachte. Sie erinnerte sich an die Namen von Kontaktpersonen, die sie seit dem Anfang ihrer Karriere aufbewahrt hatte, erst auf Papier, später elektronisch, von Mobiltelefon zu Mobiltelefon überspielt, als die Geräte immer moderner wurden. Bis sie schließlich bei Lucys BlackBerry gelandet war.
    Scarpettas Unterordner Kontakte enthielt Hunderte von Namen, und viele davon gehörten Menschen, die ihr nie wieder vertrauen würden, wenn jemand wie Carley Crispin sie mobil oder zu Hause auf dem Festnetzanschluss anrief. Bürgermeister Bloomberg, Polizeichef Kelly, Dr. Edison sowie zahlreiche einflussreiche Leute hier und im Ausland. Hinzu kam Scarpettas ausgedehntes Netzwerk, bestehend aus anderen Gerichtsmedizinern, Ärzten, Staatsanwälten und Verteidigern, und außerdem ihre Angehörigen, Freunde, Ärzte, ihr Zahnarzt, ihr Friseur, ihr persönlicher Fitnesstrainer und ihre Haushälterin. Läden, in denen sie einkaufte. Was sie bei Amazon bestellte, also die Bücher, die sie las. Ihr Steuerberater. Ihr Bankberater. Die Aufstellung wuchs von Minute zu Minute und bereitete ihr immer mehr Magendrücken. Gespeicherte Nachrichten konnten auf dem Bildschirm sichtbar gemacht und ohne Passwort gelesen werden. Dokumente und PowerPoint-Präsentationen, einschließlich abschreckender Bilder, die sie aus E-Mails heruntergeladen hatte. Auch die Fotos vom Fundort von Toni Dariens Leiche gehörten dazu. Das Foto, das Carley im Fernsehen gezeigt hatte, hätte von Scarpettas Telefon stammen können. Voller Angst dachte sie an die SMS und all an die anderen Anwendungen, die eine rasche Kontaktaufnahme ermöglichten und geradezu dazu aufforderten, sie auch zu nutzen.
    Scarpetta war keine Anhängerin von SMS, da diese ihrer Ansicht nach Zwangsverhalten förderten und keinerlei Vorteile boten. Vielleicht handelte es sich sogar um die fatalste und folgenschwerste Erfindung der Menschheitsgeschichte. Die Leute tippten auf winzigen Touchscreens oder Tastaturen herum, während sie ihre Aufmerksamkeit eigentlich auf wichtigere Dinge wie das Autofahren, das Überqueren einer belebten Straße, das Steuern von Transportmitteln wie Flugzeugen oder Zügen, ein Seminar oder eine Vorlesung, eine Visite, ein Theaterstück, ein Konzert oder die Person hätten richten sollen, die ihnen im Restaurant gegenübersaß oder neben ihnen im Bett lag. Vor kurzem hatte sie einen Medizinstudenten, der gerade in der New Yorker Gerichtsmedizin sein Praktikum machte, dabei erwischt, wie er während einer Autopsie eine SMS verschickte und mit in Latexhandschuhen steckenden Daumen eine kleine Tastatur bearbeitete. Sie hatte ihn aus dem Autopsiesaal geworfen, eine weitere Betreuung seines Studiums abgelehnt und Dr. Edison gebeten, sämtliche elektronischen Geräte jenseits des Vorzimmers zu verbieten. Doch das würde niemals geschehen. Dieser Zug war endgültig abgefahren, und es war unmöglich, die Uhr zurückzudrehen, da sich ohnehin kein Mensch an eine solche Vorschrift halten würde.
    Polizisten, Ermittler, Wissenschaftler, Forensiker, Anthropologen, Kieferorthopäden, forensische Archäologen, Assistenten und Wachleute würden sich strikt weigern, ihre elektronischen Terminplaner, iPhones, BlackBerrys, Mobiltelefone und Pager herauszurücken. Und obwohl sie ihre Kollegen ständig davor warnte, vertrauliche Daten per SMS und per E-Mail weiterzuleiten oder, Gott behüte, mit diesen Geräten gar Fotos oder Videoaufnahmen zu machen, geschah es dennoch immer wieder. Nicht einmal sie selbst hatte sich dem Sog entziehen können, SMS zu

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