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Scarpetta Factor

Scarpetta Factor

Titel: Scarpetta Factor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Daniels Cornwell
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bis zum Ende der Aufnahmezeit weiter«, erwiderte Benton. »Genau vier Minuten.«
    Dr. Clark legte seine Sachen auf einen Stuhl, ging zu Benton hinüber, beugte sich vor, um sich die Karte anzusehen, und stützte sich mit beiden Händen auf die Schreibtischkante. Er war Anfang siebzig und hatte vor kurzem die Diagnose Parkinson erhalten, ein grausames Schicksal für einen Mann, dessen Körper stets so beweglich gewesen war wie sein Verstand. Tennis, Skilaufen, Bergsteigen und ein eigenes Flugzeug – es gab nicht viel, was er in seiner Liebe zu einem Leben ohne Grenzen nicht ausprobiert hätte. Und nun hatten ihm die Biologie, die Gene oder vielleicht auch etwas Alltägliches wie bleihaltige Farbe oder alte Wasserrohre einen üblen Streich gespielt und freie Radikale erzeugt, die die Basalganglien seines bemerkenswerten Gehirns schädigten. Niemand konnte sagen, warum er mit diesem Fluch geschlagen worden war. Doch sein Zustand verschlechterte sich rasch, sodass er bereits gebeugt ging und sich unsicher und unbeholfen bewegte.
    Benton klappte die Karte zu. Dodies Stimme verstummte schlagartig mitten im Satz. »Offenbar selbstgebastelt«, verkündete er. »Eine normale sprechende Karte hat eine Aufnahmezeit zwischen zehn und fünfundvierzig Sekunden, nicht vier Minuten. Soweit ich informiert bin, bekommt man eine längere Aufnahmezeit, indem man sich ein unbespieltes Stimmmodul mit einem größeren Speicherplatz kauft. Man kann so etwas im Internet bestellen und auf diese Weise eine eigene Grußkarte herstellen. Und genau das hat meine ehemalige Patientin getan. Oder jemand hat es für sie erledigt.«
    Mit seinen weiß behandschuhten Händen nahm er die Karte und drehte sie hin und her, damit Dr. Clark die Kanten betrachten und sehen konnte, wie sauber und ordentlich sie zusammengeklebt waren.
    »Sie oder ein anderer hat also diese Karte entdeckt«, fuhr Benton fort, »das Lied auf das innen aufgeklebte Modul aufgenommen und dann ein quadratisches Stück Papier darübergeklebt, vermutlich die abgeschnittene leere Seite einer anderen Grußkarte. Deshalb steht dort auch nichts. Eine schriftliche Nachricht fehlt. Während ihres gesamten Aufenthalts im McLean hat sie keine einzige Zeile geschrieben. Sie hat gesagt, dass sie nicht schreibt.«
    »Graphophobie?«
    »Das und die Medikamente, behauptet sie.«
    »Eine Perfektionistin, die nicht mit Kritik umgehen kann.« Dr. Clark umrundete den Schreibtisch.
    »Eine eingebildete Kranke.«
    »Ach, sie hat eine Störung vorgetäuscht. Aber aus welchem Grund?« Offenbar traute Dr. Clark Bentons Urteil nicht.
    »Geld und Aufmerksamkeit sind ihre beiden stärksten Motive. Doch vielleicht steckt noch mehr dahinter«, erwiderte Benton. »Allmählich frage ich mich, wen und was wir einen Monat lang im McLean behandelt haben. Und warum.«
    Dr. Clark nahm langsam und vorsichtig Platz. Die kleinste Bewegung war für ihn keine Selbstverständlichkeit mehr. Benton bemerkte, dass sein Kollege seit dem Sommer stark gealtert war.
    »Ich belästige Sie ja nur ungern deswegen«, fügte Benton hinzu. »Schließlich weiß ich, wie beschäftigt Sie sind.«
    »Kein Problem, Benton. Sie haben mir gefehlt. Ich habe schon überlegt, ob ich Sie anrufen und mich nach Ihrem Befinden erkundigen soll.« Bei Dr. Clark klang es, als hätten sie ein wichtiges Thema zu erörtern gehabt und als sei Benton ihm aus dem Weg gegangen. »Also hat sie sämtliche Tests mit Papier und Bleistift verweigert.«
    »Sowohl den Bender-Gestalt als auch das komplexe Formenzeichnen nach Rey-Osterrieth, das Ersetzen von Zahlen und Symbolen und das Durchstreichen von Buchstaben, ja, sogar das Verbinden von Punkten«, antwortete Benton. »Alles, wobei sie hätte schreiben oder zeichnen müssen.«
    »Was ist mit psychomotorischen Funktionstests?«
    »Kein Anordnen von Bauklötzen, kein Steckbrett, kein Fingerklopfen.«
    »Interessant. Also keine Untersuchung, mit der man ihre Reaktionszeit hätte überprüfen können.«
    »Ihre letzte Ausrede war, sie bekäme von den Medikamenten, die sie einnehmen müsse, so starkes Händezittern, dass sie keinen Stift halten könne. Deshalb wolle sie sich nicht blamieren, indem sie schriebe, zeichnete oder mit Gegenständen hantierte.« Unwillkürlich dachte Benton an Dr. Clarks Zustand, während er Dodie Hodges angebliche Beschwerden schilderte.
    »Nichts, was verlangt, dass sie auf Anweisung körperlich agiert, wodurch sie sich ihrer Ansicht nach Kritik oder Beurteilung ausgesetzt hätte. Sie

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