Scarpetta Factor
Fühlen Sie sich davon möglicherweise bedroht?«
»Mir wäre es lieber, wenn sie die Fernsehauftritte an den Nagel hängen würde, aber es ist ihr Leben.«
»Soweit ich im Bilde bin, ist Warner vor etwa drei Wochen in Erscheinung getreten, etwa um dieselbe Zeit, als Hannah Starr verschwunden ist«, meinte Dr. Clark. »Davor war er eher hinter den Kulissen tätig und nur selten im Crispin Report zu sehen.«
»Ein langweiliger Nobody ohne Ausstrahlung schafft es nur, in der Hauptsendezeit ins Fernsehen zu kommen, wenn er Carley reißerische und skandalträchtige Einzelheiten über einen sensationellen Fall verrät. Mit anderen Worten, diese Person muss eine gottverdammte Nutte sein.«
»Es macht mich froh, dass Sie Warner Agee so unvoreingenommen gegenüberstehen.«
»Es gehört sich einfach nicht. Das müsste selbst ein Schwachkopf wie er wissen«, empörte sich Benton.
»Bis jetzt haben Sie es vermieden, seinen Namen auszusprechen oder sich direkt auf ihn zu beziehen. Doch wir kommen der Sache schon näher.«
»Kay weiß nicht, was genau 2003 in einem Motelzimmer in Waltham, Massachusetts, passiert ist.« Benton blickte Dr. Clark an. »Sie kennt keine Einzelheiten und ahnt nichts von dem komplizierten Aufbau des Apparats, der mein Verschwinden in die Wege geleitet hat. Sie glaubt, ich hätte das alles geplant und mich freiwillig entschlossen, in ein Zeugenschutzprogramm zu gehen. Es sei einzig und allein meine Idee gewesen, denn ich hätte ein Profil des Chandonne-Kartells erstellt und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass ich und alle in meiner Umgebung sterben müssten, wenn man dem Gegner nicht meinen Tod vortäuschte. Wäre ich nicht offiziell gestorben, hätten die Chandonnes sich auf mich, Kay und die anderen gestürzt. Und so habe ich pariert. Trotzdem hat Jean-Baptiste Chandonne sich an Kay gerächt; es ist ein Wunder, dass sie überhaupt noch lebt. Ich hätte die Sache niemals auf diese Weise angegangen, sondern so gehandelt, wie ich es schließlich auch getan habe, nämlich die Leute auszuschalten, die mir, Kay und den Menschen, die mir nahestehen, ans Leder wollten. Ich hätte das getan, was nötig war, und zwar ohne den Apparat.«
»Was ist der Apparat?«
»Das FBI, das Justizministerium, das Ministerium für Heimatschutz, die Regierung und eine gewisse Person, die mich falsch informiert hat. Das war der Apparat, den man damals in Bewegung gesetzt hat, und zwar wegen eines gewissen schlechten Rats, der nur zum Vorteil des Ratgebers war.«
»Warners Rat. Sein Einfluss.«
»Gewisse graue Eminenzen haben den Mächtigen etwas eingeflüstert. Und insbesondere einer von ihnen wollte mich aus dem Weg räumen und bestrafen«, erwiderte Benton.
»Wofür?«
»Dafür, dass ich das Leben führte, das diese Person sich wünschte. Offenbar hatte ich mich in seinen Augen dadurch schuldig gemacht, obwohl ich mich frage, warum mich jemand um mein Leben beneidet.«
»Vermutlich, weil derjenige nicht weiß, was in Ihnen vorgeht«, meinte Dr. Clark. »Was Sie quält. Ihre Dämonen. Denn oberflächlich betrachtet sind Sie ziemlich beneidenswert, da Sie scheinbar alles haben. Sie sehen gut aus, stammen aus einer reichen Familie, waren der berühmteste Profiler beim FBI und sind heute ein prominenter forensischer Psychologe an der Harvard University. Außerdem sind Sie mit Kay verheiratet. Ich kann mir also gut vorstellen, dass das Begehrlichkeiten weckt.«
»Kay denkt, ich sei in einem Zeugenschutzprogramm gewesen und deshalb sechs Jahre lang untergetaucht. Danach hätte ich beim FBI meinen Hut genommen«, sagte Benton.
»Weil Sie inzwischen nur noch Widerwillen und Verachtung für diese Behörde empfanden.«
»Einige Leute halten das für den Grund.«
»Kay auch?«
»Vermutlich.«
»Während Sie in Wahrheit das Gefühl hatten, das FBI stünde nicht mehr hinter Ihnen und habe den Respekt vor Ihnen verloren. Die Organisation habe Sie verraten, obwohl es eigentlich Warner war«, entgegnete Dr. Clark.
»Das FBI hat einen Experten nach seiner Meinung gefragt und Informationen und Empfehlungen bekommen. Ich kann nachvollziehen, dass man sich Gedanken um meine Sicherheit gemacht hat. Abgesehen davon, dass mir jemand eins auswischen wollte, hatten die Entscheidungsträger guten Grund zur Sorge. Außerdem habe ich Verständnis dafür, dass ich nach dem, was ich erlebt hatte, als labil eingestuft worden bin.«
»Also finden Sie, dass Warner Agee, was die Chandonnes und die Notwendigkeit, Ihren Tod vorzutäuschen,
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