Scary City, Band 1: Das Buch der Schattenflüche, Scary City 1 (German Edition)
vergessen, was? Der 21.Juni ist der Tag der Sommersonnenwende, eine der magischsten Nächte des ganzen Jahres. Dann gelingen selbst Zauber, die sonst nie funktionieren würden. Darum ist Vlad so in Eile. Was immer er vorhat, er wird es morgen um Mitternacht tun.«
Mats’ Magen krampfte sich zusammen. Wie sollten sie es bis dahin schaffen, das Buch zurückzuholen? »Shit! Bist du dir auch ganz sicher?«
»Es kann gar nicht anders sein.« Tic blickte verzweifelt von einem zum anderen. »Wenn Vlad wirklich auf die zusätzliche Magie aus der Nacht der Sommersonnenwende aus ist, muss es um einen verborgenen Zauber in dem Buch gehen, der noch gefährlicher ist als ein ganzer Haufen Todesflüche.«
Mats stöhnte. »Ist das überhaupt möglich?«
»Offensichtlich schon«, sagte Lucy mit leichenblasser Miene.
Tic fluchte. »Ich wünschte, wir wüssten, was Vlad vorhat. Das würde uns vieles erleichtern.«
Mittlerweile hatten sie den zwölften Stock des Hotels erreicht. Lucy war ein wenig außer Puste, im Gegensatz zu Mats, der es gewohnt war, die vielen Stufen zu laufen. In der Küche schmierten sie sich ein paar Käse-Schinken-Sandwiches, während Tic lustlos an einem für ihn viel zu großen Apfel herumknabberte. Mats beunruhigte dieser Anblick fast mehr als das Gerede über Todesflüche und verborgene Zauber. Denn wenn selbst dem Feary der Appetit verging, stand es wirklich übel um sie.
»Ich lasse mir was einfallen«, sagte Tic, nachdem Mats und Lucy in ihre Hoteluniformen geschlüpft waren. »Irgendwie kriege ich euch schon in den Schattenschlund geschmuggelt.«
»Eigentlich müssten wir ja sofort aufbrechen, wo nur noch so wenig Zeit bleibt«, meinte Mats.
»Ohne gute Verkleidung – und ich spreche nicht von Brille und falschem Schnurrbart – schafft ihr es nie bis in unsere Stadt.« Tic lehnte sich mit der Schulter an den kaum angenagten Apfel. »Außerdem erwacht das Viertel, in das wir wollen, erst bei Nacht so richtig zum Leben. Und bis dahin sind es noch ein paar Stunden.«
»Bist du verrückt?« Lucy starrte ihn ungläubig an. »Wie soll ich meinem Vater erklären, dass ich die Nacht über wegbleibe?«
»Ach was, das kriegen wir schon hin«, warf Mats ein und zog seine Uniform zurecht. »Wir wenden einfach den gleichen Trick wie vor drei Monaten an, als wir auf das Lady-Gaga-Konzert gegangen sind. Wir sagen deinem Dad, dass du bei mir übernachtest, und meinen Eltern, dass ich bei dir bin. Das hat auch beim letzten Mal funktioniert.«
Lucy biss sich auf die Unterlippe, dann nickte sie. »Das könnte klappen. Im Moment hat Paps so viel mit seinem Geschäft um die Ohren, dass er nicht groß nachhaken wird.«
»Na also.«
Tic verzog sich in Mats’ Zimmer, während die beiden zur Rezeption aufbrachen, um sich dort mit Frau Greifenhall zu treffen, die völlig neben der Spur war. Sie knabberte an ihren rot lackierten Fingernägeln und hatte eine Frisur, als hätten sich Fledermäuse darin eingenistet.
»Da seid ihr ja endlich!« Sie drückte Mats und Lucy je eine Liste mit Aufgaben in die Hand, die beide aufstöhnen ließ. »Und jetzt beeilt euch, unsere Gäste warten nicht gerne.«
Lucy hatte wieder einmal Hundedienst. Mats musste dagegen alle Pflanzen im gesamten Hotel gießen, wofür er fast drei Stunden brauchte, und anschließend noch die Schuhe derjenigen Gäste einsammeln, die diese zum Putzen vor die Tür ihrer Suite gestellt hatten. Kaum war er auch damit fertig, ereilte ihn ein Sonderauftrag seiner Mutter. Mr Myrddin hatte telefonisch darum gebeten, dass Mats ihm die Ausgabe der heutigen Abendzeitung aufs Zimmer bringen solle. Auf dem Weg in den ersten Stock grinste Mats wie ein Honigkuchenpferd. Dieses Mal würde Nummer dreizehn nicht daran vorbeikommen, ihm seine Fragen zu beantworten.
Er hob die Hand, um anzuklopfen, als die Tür mit einem Mal aufflog und ihm ein Stoffbündel ins Gesicht klatschte, das so widerlich stank, dass es ihm die Tränen in die Augen trieb. Vor Schreck ließ Mats die Zeitung fallen, um sich das Bündel vom Kopf zu reißen. Dabei sah er aus dem Augenwinkel, wie eine kleine graue Klaue die Zeitung durch den Türspalt zerrte, bevor diese wieder ins Schloss fiel.
»Hey!«, schrie Mats empört. »Was soll der Mist?«
Natürlich erhielt er keine Antwort.
Wütend betrachtete Mats das Kleiderbündel in seinen Händen. Es waren zwei dunkelbraune Kapuzenmäntel, die mit Flecken und Schlammspritzern übersät waren. Am schlimmsten war jedoch der
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