Scary City, Band 2: Der Wächter Des Goldenen Schlüssels, Scary City 2
Menge auftauchen und wieder darin versinken. War das etwa der Gast aus Nummer dreizehn? Aber warum sollte der ihn verfolgen?Â
»Hey, träum nicht! Wenn wir die Bahn verpassen, kommen wir schon wieder zu spät!«Â
Mats fuhr herum und wäre fast mit Lucy zusammengeknallt. Ihr Lächeln war so ansteckend, dass Mats automatisch zurückgrinste. Sie mussten beide auf dem Weg zur Schule am Alexanderplatz umsteigen.Â
»Wieso zu spät?«, fragte er.Â
»Hast du mal auf die Uhr geguckt?«Â
»Oh, verdammt, noch zwei Minuten. Lauf, die erwischen wir noch!«
Die beiden rannten los und quetschten sich im letzten Moment durch die sich schlieÃenden Türen, bevor die Bahn auch schon losruckelte. Mit hochroten Köpfen klammerten sie sich an die Haltestangen und lachten gleich darauf los. Es war immer dasselbe mit ihnen. Mats konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, ob sie überhaupt jemals pünktlich waren.Â
»Heulsuse«, zog er Lucy auf, weil ihr beim Lachen immer die Tränen in die Augen schossen.Â
»Blödmann«, sagte sie lächelnd und wischte sie weg.Â
Für Mats war Lucy das schönste Mädchen der Welt. Sie hatte tolle Augen, leuchtend nebelgrau. Und dazu langes, rabenschwarzes Haar. Sie war eben absolut wow! Aber beste Freunde waren tabu, ganz klar. Ein absolut dämliches Gesetz, wie Mats fand. Allerdings wollte er auch nicht riskieren, Lucy zu verlieren, indem er sie mit schmalzigen Liebeserklärungen verschreckte. Dafür war sie ihm einfach zu wichtig.Â
»Nora hat mich gestern zu ihrem dreizehnten Geburtstag eingeladen«, sagte Lucy.Â
»Gehst du hin?«Â
»Zu dieser Spinatwachtel? Nie im Leben! Das letzte Mal durfte ich mir die ganze Party über anhören, wie blass mich meine Haare machen würden. Und dass ich viel öfter ein Kleid tragen sollte.« Lucy verdrehte die Augen. »Wenn ich eine Typberatung wollte, wäre Miss Für-Pink-könnte-ich-glatt-sterben! die Letzte, die ich um Rat fragen würde!«Â
Das gefiel Mats so an Lucy. Sie war immer sie selbst und lieà sich von niemandem etwas vorschreiben.Â
Während der Bahnfahrt wagte Mats nicht, von seinen seltsamen Träumen zu erzählen. Zu viele Zuhörer. Aber sobald sie ausgestiegen waren, legte er los. Lucy reagierte jedoch anders, als er erwartet hatte. Weder lachte sie, noch schob sie es auf seine Comicsucht, sondern starrte ihn nur düster an. Kurz hatte Mats den Eindruck, als wolle sie ihm ebenfalls etwas erzählen. Lucy hatte sogar schon den Mund geöffnet, aber dann schloss sie ihn wieder.Â
Mats runzelte die Stirn. Sie hatten doch sonst keine Geheimnisse voreinander. »Stimmt was nicht?«Â
»Wieso?«, fragte Lucy patzig und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich muss nur mal aufs Klo. Das ist alles. Wir sehen uns oben in der Klasse.« Und damit war sie auch schon weg.
Mats machte sich auf den Weg in seine Klasse. Er hatte keine Ahnung, was in Lucy gefahren war. So abweisend hatte er sie noch nie erlebt. Plötzlich erschien ihm dieser Tag sehr viel trüber als noch vor ein paar Minuten, als sie zusammen in der Bahn gelacht hatten.
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Die letzten beiden Stunden fielen aus. Hitzefrei. Kein Wunder, seit einigen Wochen herrschten in Berlin Temperaturen wie in der Sahara. Mats und Lucy fuhren wie immer gemeinsam zurück zum Alexanderplatz, jedoch blieb Lucy die ganze Fahrt über ziemlich still. Mats schaute mehrmals zu ihr rüber, aber sie wich seinem Blick jedes Mal aus. Kaum waren sie ausgestiegen, rauschte Lucy auch schon davon.Â
Was soll das?, dachte Mats und starrte ihr mit Magengrummeln nach, wie sie zwischen den anderen Fahrgästen verschwand.Â
Ãber die Treppe verlieà er die U-Bahn-Station und betrat den Alexanderplatz, und während er noch über Lucy grübelte, passierte etwas ganz und gar Merkwürdiges. Plötzlich fühlte er sich nicht mehr als Teil der Menge, sondern wie ein AuÃenstehender, ein stiller Beobachter. Wie im Zeitraffer strömten die Menschen an ihm vorüber. Und zwischen ihnen entdeckte er die anderen . Sie trugen trotz der kaum erträglichen Temperaturen Mäntel, Hüte und Schals. Mit gesenkten Köpfen, hochgezogenen Schultern und in den Hosentaschen versenkten Händen schoben sie sich zwischen den gewöhnlichen Leuten hindurch. Gesichtslose Gestalten, die von niemandem bemerkt werden wollten. Bei ihrem
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