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Scatterheart

Scatterheart

Titel: Scatterheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili Wilkinson
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Studenten.«
    »Hannah, so hör doch!«, sagte Thomas und erhob sich ebenfalls. Er wollte wieder ihre Hand nehmen. »Lass es dir erklären.«
    Aber Hannah zog ihre Hand zurück. »Fassen Sie mich nicht an!«
    Thomas Behr zuckte unter ihren harschen Worten zusammen, dann senkte er den Kopf und verließ das Zimmer.Diesmal warf er nicht die Tür hinter sich zu. Diesmal machte er sie gar nicht zu. Er ging einfach.
    Hannah sank auf den Boden, ihr Herz klopfte wie wild. Die Haustür fiel klackend ins Schloss. Doch Hannah weinte nicht. Sie saß nur stumm da.
    An diesem Abend packten die Diener ihre Sachen und gingen. Hannah war allein.

Scatterhearts Vater war habgierig. Er befahl seiner Tochter den Antrag des Bären anzunehmen. Sie überlegte sich, dass es recht hübsch sein musste, in einem Schloss zu leben und schöne Kleider zu tragen. Also sagte sie Ja und kletterte auf den Rücken des Bären. Als sie von dannen ritten, fragte sie der Bär: »Hast du keine Angst?« Nein, sie hatte keine Angst.
    Lacht nur, Miss«, sagte Long Meg, »aber ich habe meine Informationen. Stürme, die einen in Stücke reißen. Ungeheuer, groß wie Berge. Dunkelheit mitten am Tag. Schwimmende Inseln mit Elefantenzähnen. Und wir im Schiffsbauch angekettet, dicht an dicht wie Ölsardinen.«
    Hannah sah sie skeptisch an. »Ich glaube, Sie haben zu viele Märchen gehört.«
    Aber nun hatte Long Meg ein Publikum. Einige der anderen Insassen hatten sich zu ihr gedreht und sie erzählte mit tiefer, unheilvoller Stimme weiter.
    »Und das ist nur die Seereise. Es heißt, wenn man erst einmal im Land hinter den Meeren ist, dann kommen die schlimmsten Ungeheuer hervor. Männer mit Hundeköpfen, Drachen, die einen in Stein verwandeln, Menschen mit Gesichtern auf der Brust! Überall gibt es Wilde mit pechschwarzer Haut, die unser Fleisch fressen wollen. Das Überleben ist ein einziger Kampf.« Sie sah sich mit großen Augen um.
    Hannah schnaubte verächtlich. »Vater hat mir einige Berichte aus der
Morning Post
über die Kolonie in New South Wales vorgelesen. Von Männern mit Hundeköpfen und Drachen war darin nie die Rede.«
    Die alte Frau, die Tabby genannt wurde, hatte offenbar auch zugehört. Sie stand umständlich auf und schlurfte mit gekrümmtem Rücken herbei.
    »Alles hat ein Ende«, sagte sie.
    In der Zelle herrschte einen Moment lang Totenstille, nur unterbrochen vom Husten eines Mannes, der in einer Ecke kauerte. Dann brach Long Meg in ihr dröhnendes Lachen aus.
    »Aber wir machen uns keine Sorgen, Leute. Wir sind ja alle unschuldig!«
    Donnerndes Gelächter erschütterte den Raum, danach wandte sich jeder wieder seiner Beschäftigung zu. Tabby blickte Hannah an, rülpste laut und schlurfte davon.
    Hannah blieb sitzen und krümmte sich verlegen, um den Schmerz in ihrer übervollen Blase zu lindern. Sie pressteihre Beine zusammen und ballte die Hände. Sie biss sich auf die Zunge. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und ging zu dem Eimer hinüber. Rot vor Scham hob sie Rock und Unterrock an und streifte die Hose herunter. Ihr Urin plätscherte so laut, dass sie meinte, halb London müsste es hören. Aber keiner der anderen Insassen sah auch nur in ihre Richtung. Hannah fühlte sich so befreit, dass sie vor Erleichterung seufzte.

    Ohne Diener kam Hannah das Haus leer und fremd vor. Im Schlafzimmer war es kalt. Das Feuer war längst ausgegangen und das Wasser im Krug auf dem Nachttisch war sogar gefroren. Hannah konnte ihre Finger kaum noch bewegen, weil sie die ganze Nacht Thomas’ Taschentuch umklammert hatte. Ihr Magen war leer und knurrte laut – sie hatte seit dem gestrigen Morgen nichts mehr gegessen.
    Sie stieg aus dem Bett, legte das Taschentuch vorsichtig auf den Nachttisch und ging zum Kamin. Die Feuerstelle war kalt und schwarz. Sie überlegte. So schwierig konnte es doch nicht sein. Hannah sah sich um und entdeckte erleichtert den Kohleneimer. Sie bückte sich und zog ein paar harte Brocken heraus. Die warf sie in den Kamin und wischte den schwarzen Staub an ihrem Nachthemd ab. Sie wusste nicht recht, was sie als Nächstes tun musste.Lettie hatte das mindestens tausendmal vor ihren Augen gemacht. Warum hatte Hannah nie richtig zugesehen? Sie nahm einen Schürhaken und stieß die Kohlen im Kamin an. Eine Aschewolke stob auf und sie musste husten. Ihr war zum Heulen zumute.
    Hannah kniff die Augen zu und zählte bis zehn.
    »Heute kommt Papa heim«, sagte sie fest. »Dann wird alles wieder gut.«
    Sie stand auf, ging zum

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