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Scatterheart

Scatterheart

Titel: Scatterheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili Wilkinson
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dann ist es etwas Besonderes.«
    Hannah musste an die Ohrringe denken, die sie von ihrem Vater bekommen hatte. Molly starrte auf die Planken und fuhr mit den Fingern über die Maserung. Hannah überlegte, ob Molly je ein Geschenk erhalten, sich je als etwas Besonderes hatte fühlen dürfen.
    Längsseits legte die Barkasse der
Derby Ram
an, im Schlepptau eine schwimmende Plattform, die mit braunen Holzfässern beladen war. Seile wurden herabgelassen, dann hievten die Matrosen die Fracht zum Oberdeck hinauf. Der Bootsmann schlug das erste Fass an. Es war voll mit frischem Wasser.
    »Auf geht’s, meine Damen«, rief er augenzwinkernd, »es wird Zeit, dass Sie Ihr Gewerbe ausüben.«
    Hannah blickte ihn verständnislos an, aber die meisten der anderen Frauen schienen zu wissen, was er meinte. Die wenigen Matrosen, die die Fässer gebracht hatten, verzogen sich, bis schließlich nur noch die Frauen auf dem Oberdeck waren.
    Die Tür zur Messe wurde aufgemacht und die Fässer hineingerollt. Dann wurde der riesige Kupferkessel über dem Herd mit Wasser gefüllt.
    Weitere Fässer wurden geöffnet und die Frauen tranken, bis sie nicht mehr konnten. Das Wasser schmeckte kühl, samtweich und süß, besser als die beste Limonade in Vauxhall. Hannah trank und trank, bis sie meinte platzenzu müssen. Und Molly war so gierig, dass ihr Bäuchlein richtig anschwoll und sie einen Schluckauf bekam.
    »Und wie ging es weiter? In dem Märchen?«, fragte sie. Hannah erzählte ihr von Scatterheart und ihrem Vater. Von dem weißen Bären, der um ihre Hand angehalten hatte, und von der langen Reise zum Schloss.
    Molly machte große Augen, als sie von dem prächtigen Eisschloss, den weißen Seidenlaken und dem köstlichen Festmahl hörte.
    »Was hat sie gegessen?«, fragte sie eifrig.
    »Ach, einfach alles«, antwortete Hannah. »Geschmortes und Gesottenes, gebratene Hühnchen, die kaum größer als Spatzen waren, junge Heringe und Pastinaken, Fasanenpasteten, eingelegten Stör, Rosinen und kandierte Orangenblüten.«
    »Und Mangos auch?«, fragte Molly.
    Hannah lachte.
    »Bestimmt auch Mangos.«
    Von den unteren Decks kamen immer mehr Frauen herauf. Sie waren mit schmutziger Wäsche, Hängematten und allen möglichen Stofffetzen beladen. Alles starrte vor Dreck, denn es war seit Monaten nur im Meerwasser ausgespült worden. Auf dem Oberdeck wuchs ein stattlicher Berg von Kleidungsstücken, der einen muffigen, säuerlichen Geruch verbreitete.
    Als das Wasser kochte, wurden die Kleider in den Kessel geworfen und mit einem Schürhaken hin und her bewegt.Dann wurden sie tropfnass und dampfend herausgezogen und an wartende Frauen weitergereicht, die sie zu einer freien Fläche auf Deck brachten, wo sie sie auf die hölzernen Planken schlugen.
    Hannah bekam ein nasses Leinenhemd in die Hand gedrückt und machte es den anderen Frauen nach. Sie klatschte es auf die Planken, dass es herrlich knallte und ihr das heiße Wasser ins Gesicht und auf die Arme sprühte. Braunes Schmutzwasser floss in langen Bächen über das Deck und an den Seiten des Schiffs herab, und die Frauen schrubbten, kochten und droschen die Kleider, bis alles sauber war.
    Während der Arbeit erzählte Hannah Molly von dem Garten und der kleinen weißen Tür, die Scatterheart niemals öffnen sollte.
    »Und, hat sie sie geöffnet?«, fragte Molly und wrang ein Leinenhemd aus.
    »Natürlich«, antwortete Hannah, »das ist im Märchen immer so.« Dann erzählte sie, wie Scatterheart die blaue Frucht aß und der weiße Bär daraufhin verwünscht und in das Schloss östlich der Sonne und westlich des Mondes verbannt wurde.
    »Dann ist er eigentlich gar kein Bär?«, fragte Molly.
    »Nein«, sagte Hannah und seufzte, »in Wirklichkeit ist er ein Prinz.«
    »Und wer hat ihn verzaubert?«
    »Eine Hexe.«
    »Warum?« Molly wollte es ganz genau wissen.
    Hannah zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich hat sie ihn nicht sehr gemocht. Vielleicht wollte er sie nicht heiraten.« Molly nickte. »Und macht sich Scatterheart auf den Weg, um ihn zu retten?«
    »Nein«, sagte Hannah, »nicht gleich.«
    »Warum nicht?«
    »Weil sie so flatterhaft ist. Sie interessiert sich eigentlich für niemanden außer sich selbst.« Hannah schämte sich und spürte einen dicken Kloß in ihrer Kehle. Sie biss sich auf die Lippe. »Sie möchte nach Hause zu ihrem Vater, aber sie verirrt sich.«
    Sie arbeiteten viele Stunden lang, nur am Nachmittag machten sie eine Pause mit frischem Brot und Käse. Das Essen wurde ihnen

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