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Scatterheart

Scatterheart

Titel: Scatterheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili Wilkinson
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ein Matrose?«
    »Er ist ein Offizier. Er ist tapfer und stark.«
    »Hat er schon einmal mit einem Hai gekämpft?«
    »Bestimmt«, lachte Hannah.
    »Und auch mit einem Tiger?«
    »Natürlich.« Hannahs Augen hatten einen merkwürdigen Glanz. »In Indien hat er mit einem Tiger gekämpft.«
    Die See wurde so rau, dass die Frauen das Oberdeck nicht mehr betreten durften, damit sie bei dem starken Seegang nicht über Bord fielen. In der Takelage heulte und kreischte der Wind, ununterbrochen spritzte die Gischt und tropfte durch die Planken bis hinunter ins Orlopdeck. Einmal am Tag durften die Frauen zum Essen heraufkommen. Sie hielten mit klammen Fingern ihren Napf und versuchten sich ein bisschen daran zu wärmen.
    Die Matrosen waren gereizt und unruhig und erzählten schaurige Geschichten über Stürme und Schiffbrüche. Einmal erzählte Jemmy Griffin die Geschichte vom
Fliegenden Holländer
. Molly lauschte ihm mit weit aufgerissenem Auge.
    »Und … alle sind gestorben?« Mollys Stimme war nur noch ein Flüstern.
    Jemmy Griffin nickte. »Aber angeblich segelt der Geist des Schiffs immer noch durch diese Gewässer und die toten Matrosen verrichten ihre Arbeit Stunde um Stunde in völliger Stille.«
    Molly starrte ihn mit offenem Mund an.
    »Gib gut acht darauf, kleines Frollein«, sagte Jemmy. »Du erkennst das Schiff an seinen schwarzen zerrissenen Segeln und den Geistergestalten an Deck.«
    Molly spähte zum Bullauge hinaus und Jemmy Griffin schmunzelte.
    »Jetzt ist es zu früh«, meinte er, »der Sturm ist noch nicht stark genug. Warte mal zwei Wochen. Dann kannst du es sehen.«
    Wie Jemmy vorausgesagt hatte, wurde der Sturm nach zwei Wochen noch heftiger. Haushohe Wellen krachten über die
Derby Ram
und das Wasser floss in Strömen durch die Ritzen in der Decke auf die Frauen im Orlopdeck herab. Die Männer arbeiteten ununterbrochen an den Pumpen, trotzdem drangen Unmengen von Wasserein, die im Orlopdeck und im Laderaum hin und her schwappten.
    Eine riesige Welle überschwemmte die Schiffsküche und riss sogar den Herd mit sich. Es gab kein trockenes Holz und keine trockene Kohle mehr, deshalb bekamen alle nur harten Zwieback und kaltes Pökelfleisch zu essen. Die Temperatur sank dramatisch. Wurde das Schiff für eine kurze Weile einmal nicht von Wellen hin und her geworfen, bildete sich an Tauen und Umläufen sofort eine Eisschicht.
    Captain Gartside gab für alle Extrarationen Alkohol aus. Hannah mochte den Geschmack des Matrosenrums nicht, schluckte ihn aber hinunter und genoss die kurze Wärme, bevor die nächste Welle das Schiff überspülte und sie wieder durchnässte.
    Der Sturm dauerte vierzehn Tage. Hannah saß auf ihrem Bett und kauerte sich an den Schiffsrumpf. Sie hatte sich ihre klamme Decke um die Schultern gelegt und hielt mit steifen Fingern Thomas’ Taschentuch fest.
    Der nun schon vertraute Schmerz in ihrem Unterleib war wieder da, bei der Kälte war er besonders unangenehm. Hannah stand auf und ging zu der Kiste, wo die sauberen Stofffetzen aufbewahrt wurden.
    Die Krämpfe wurden immer schlimmer und Hannah krümmte sich ein wenig, als sie zu ihrem Bett zurückging. Sie rollte sich unter ihrer feuchten Decke zusammen undwünschte, Long Meg wäre da und würde sich über sie lustig machen.
    Du elender Faulpelz
, würde sie sagen.
Wenn die Frauen sich in ihren Erdbeerwochen immer ins Bett legen würden, wäre Rom niemals erbaut worden und König George hätte Löcher in seinen Socken
.
    Molly kratzte eine neue Kerbe in den Holzbalken über Long Megs Bett. Sie waren nun seit vier Monaten auf See und die Abfahrt aus Kapstadt lag beinah einen Monat zurück.
    »Können wir nicht hinauf?«, fragte Molly und legte den Löffel beiseite.
    »Nein, nicht bei diesem Wetter«, sagte Hannah. »Das ist verboten.«
    »Warum denn?«
    Hannah seufzte. »Wir dürfen eben nicht.«
    Sie schloss die Augen und malte sich ihre Lieblingsszene aus.
    Das Schiff fuhr majestätisch in Port Jackson ein. Die Sonne schien und der Hafen war voll von Schaulustigen, die ihre Taschentücher schwenkten und jubelten. Eine lange Gangway wurde herabgelassen und die Frauen verließen das Schiff.
    Hannah kam ganz zum Schluss. Ihre Haare waren zu einer modischen Kurzhaarfrisur nachgewachsen und sie trug ein selbst geschneidertes neues Kleid und einen Mantel. Sie war erschöpft, aber ihre Wangen leuchtetenrosig und ihre Augen funkelten. Dann teilte sich die Menge und sie sah Thomas hinten stehen.
    Sie schlug die Augen auf. Molly war

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