Scepter und Hammer
hungrigen und durstigen Seeleute mit bestem Appetite zusprachen. Als sie nach beendigter Mahlzeit die Messer von sich legten, meinte Schubert, sich behaglich die Magengegend streichend:
»So das wäre geschehen! Und nun sage mir doch einmal, welchen Ort oder welchen Menschen Du hier oben in den Bergen zu suchen hast!«
»Später!« antwortete Karavey einsilbig, indem er einen mißtrauischen Blick auf die Gäste warf, die sich jetzt erhoben hatten, um den Krug zu verlassen.
Sie griffen in die Taschen, um ihre Zeche zu entrichten, und dabei zog der Eine von ihnen einen kleinen, zusammengefalteten Zettel mit hervor, welcher unbeachtet vor ihnen und dem Wirthe zu Boden fiel. Der Wirth begleitete Beide hinaus bis vor die Thür, wo sie noch einige Zeit ein angelegentliches und leise geführtes Gespräch unterhielten. Diese Gelegenheit benutzte Karavey, um das Papier aufzuheben und zu entfalten.
»Was willst Du mit dem Wische, Bootsmann?« frug Schubert.
»Nur sehen, was er enthält. Kannst Du lesen?«
»Nein, nur etwas buchstabiren. Warum?«
»Ich kenne nur die Zeichen der Zigeunersprache. Hier stehen drei Worte. Wie heißen sie?«
»Zeig her. Vielleicht bringe ich sie heraus!«
Er forschte lange auf dem Papiere herum, ehe er begann:
»Ta – ta – tannenschlucht – – Pa – pa – parole – Ka – ka – Karavey – also: Tannenschlucht. Parole: Karavey.«
»Karavey? Das ist ja mein Name! Ist es wahr, daß er hier zu lesen steht, Steuermann?«
»Er steht hier!« bekräftigte der gefragte, stolz auf seine Lesefertigkeit.
Der Zigeuner blickte sinnend vor sich nieder. Dann frug er: »Wofür hast Du die beiden Bursche wohl gehalten?«
»Hm, viel Kluges und Ehrbares war es wohl nicht. Sie hatten keine braven Augen.«
»Ich halte sie für Pascher.«
»Kannst Recht haben, Alter!«
»Dann ist auch der Zettel zu verstehen.«
»Wieso?«
»Sie haben in der Tannenschlucht heut ein Geschäft.«
»Aber wie kommt Dein Name dazu, als Parole zu gelten?«
»Das ist mir auch ein Räthsel. Es muß Einen unter ihnen geben, der ihn kennt.«
»Und dieser Eine muß der Anführer sein, denn nur von diesem wohl wird die Parole ausgegeben.«
»Was Du da sagst, ist sehr wahrscheinlich. Weißt Du, daß ich große Lust verspüre, die Tannenschlucht auszusuchen?«
»Heiliges Mars-und Brahmenwetter, bist Du bei Sinnen? Ein guter Bootsmann hält stets die Augen offen; Du aber wärest ja vollständig mit Blindheit geschlagen, wenn Du Dich ohne Ursache mitten unter dieses Volk vor Anker legen wolltest!«
»Und wenn ich nun eine gute Ursache dazu hätte?«
»Wie lautet sie?«
»Das Ziel meiner Wanderung liegt ganz in der Nähe der Tannenschlucht.«
»So kennst Du diesen Ort, he?«
»Sehr gut, von meinen früheren Wanderungen her. Eine halbe Stunde oberhalb der Schlucht stand damals ein Häuschen, in welchem unser ständiger Lowenji wohnte.«
»Was bedeutet dieses Wort?«
»Es heißt soviel wie Beschützer, Verberger, Verheimlicher –«
»Oder Hehler, Gelegenheitsmacher, nicht?« lachte der Steuermann.
»Auch richtig! Der Gitano ist ein gehetzter Hund, der sich nur wehren kann, wenn er nicht nach dem Gesetze fragt. Sein Lowenji wohnt stets an der Grenze zweier Länder, und die Lowenja, wie wir seine Hütte nennen, darf nie verlassen stehen; sie wird nach seinem Tode sofort mit einem neuen Lowenji besetzt, damit uns nie die Zuflucht und die Hilfe fehlt. Alle seine Geheimnisse erben auf den Nachfolger über, der Alles weiß, was man bei ihm erfragen will.«
»Ah, jetzt verstehe ich! Du gehst nicht geraden Weges zur Residenz, sondern hierher, um Dich bei dem Manne nach Deiner Schwester zu erkundigen?«
»So ist es. Die Lowenja ist ganz sicher bewohnt, und ihr Besitzer wird mir wohl Auskunft geben können, wo Zarba jetzt zu finden ist, wenn sie noch am Leben ist. Vielleicht erfahre ich bei ihm auch, was es für eine Bewandtniß mit dieser Losung hat.«
»Ist es weit zu ihm?«
»Beinahe noch zwei Stunden.«
»So laß uns aufbrechen, damit wir noch vor Nacht dort ankommen!«
Sie bezahlten dem wieder eintretenden Wirthe das Genossene und verließen den Krug.
Die Straße stieg immer höher zwischen den Bergen hinauf; die Gegend wurde wilder und wilder, und als nach anderthalb Stunden der Zigeuner in einen Seitenpfad einbog, schlugen die dunklen Zweige der Tannen und Föhren dicht über ihren Köpfen zusammen. Nach einer beschwerlichen Wanderung gelangten sie an eine mit üppigem Farrenkraut und Dorngestrüpp
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