Scepter und Hammer
zweimastige Brigg mit lateinischem Segelwerke. Als ich vor sechs Monaten mit der ›Schwalbe‹ fuhr, sind wir ihm begegnet und wollten ihn ansprechen; er aber ging an uns vorüber, wie der Mond an dem Mopse, der ihn anbellt.«
»Sonderbar,« brummte der Vierte. »Ein Dreimaster, eine Korvette, eine Brigg mit lateinischem Segelwerke – daraus werde der Teufel klug! Was mich betrifft, so habe ich das Piratenschiff noch nicht gesehen und bin auch gar nicht begierig darauf, ihm zu begegnen. Nur wissen möchte ich, ob sein Kapitän wirklich ein Neger ist, wie man sich erzählt.«
»Natürlich ist er ein echter und richtiger Neger, weshalb man ihn auch nicht anders nennt, als den ›schwarzen Kapitän.‹ Uebrigens ist er der einzige Pirat, welcher kein Menschenblut vergießt. Ich kenne mehrere Fälle, in denen er ein Schiff hätte entern können, und dennoch hat er, um die Menschenleben zu schonen, davon abgesehen und die Prise davongehen lassen.«
»Aber nur um sie später durch List zu bekommen!«
»Das ist keine Schande für ihn, sondern das gerade Gegentheil. Aber habt Ihr auch beobachtet, daß er es meist auf Norländische Schiffe abgesehen hat?«
»Besonders auf die Fahrzeuge der Kolonialkompagnie.«
»Daher macht Norland so große Anstrengungen, seiner habhaft zu werden, aber stets ohne Erfolg. Die Sache liegt nämlich so, daß der Tiger einmal als Drei-, dann als Zweimaster und vielleicht dann gar als Dampfer erscheint. Wer will ihn festhalten? Und dazu ist sein Kapitän ein befahrener Kerl, der Haar auf den Zähnen hat. Ich habe davon sprechen hören, daß der Pirat vor dem Winde gegangen ist mit vollem Segelwerke; wer macht ihm das nach? Ein andermal haben sie ihn getroffen, daß er mit halbem Segelwerke dem Winde in die Zähne lenkte; das ist ein Kunststück, welches man für unmöglich halten möchte. Bei vollem Sturme beidrehen oder bei halbem Sturme beidrehen, das ist ihm eine Kleinigkeit. Es gibt keinen zweiten Segelmeister, keinen zweiten Kapitän auf der Welt, der das Manövriren so versteht, wie der ›schwarze Schiffer,‹ und der muß seine Kunst vom Teufel gelernt haben.«
»Pah, es gibt anderwärts auch noch Leute, welche ein Schiff zu lenken verstehen. Ich kenne Einen, den sollte man gegen den ›Tiger‹ schicken; der würde ihn bald erwischen.«
»Meinst Du? Wer könnte das wohl sein? Der müßte schon einige Haare auf den Zähnen haben!«
»Hast Du noch nichts von dem Sternburg gehört?«
»Der Sternburg? Alle Wetter, das ist wahr; das ist ein Kerl, der es wohl mit dem ›Schwarzen‹ aufnehmen könnte. Wo steckt er denn wohl jetzt?«
»Ich glaube in Ostindien oder auf der Südsee. Der Junge ist wohl kaum über zwanzig Jahre alt und hat so viele Teufel im Leibe, daß man ihn nur immer dahin schickt, wo sich ein Anderer nicht hingetrauen würde. Denkt an den letzten Krieg, was er da als Volontär geleistet hat.«
»Er ist vom höchsten Adel, denn in den Adern der Sternburgs soll sogar königliches Blut fließen, und das mag mit zu der außerordentlichen Schnelligkeit beitragen, mit welcher er im Avancement vorgeschritten ist; aber man muß doch sagen, daß er seinen Platz verdient hat. Ich möchte ihn doch einmal sehen. Wer kennt ihn?«
»Keiner von uns!«
»O doch,« meinte Einer, welcher am nächsten Tische saß. »Ich habe ihn gesehen, doch allerdings nur von Weitem.«
»Wenn ist das gewesen und wo?«
»Eben im letzten Kriege, als er uns den Dreimaster entgegenbrachte.«
»Alle Teufel, das war ein Meisterstück! Ich habe davon erzählen hören, aber nicht recht klug aus der Sache werden können. Wie ging es denn eigentlich zu?«
»Sehr einfach. Nach dem Siege über die feindliche Flotte verfolgten wir dieselbe bis an die Küste, wo sie in der Flußmündung Schutz suchte, welche von einem festen Fort vertheidigt wurde. Ihr zu folgen, war unmöglich; wir mußten sie einfach blockiren. Das war eine langweilige Geschichte, und wäre wohl noch langweiliger geworden, wenn nicht hier oder da ein kleiner Coup unternommen worden wäre, der etwas Leben in das Nichtsthun und Hinwarten brachte. Bei Allem aber, was geschah, war dieser Lieutenant ersten Ranges Arthur von Sternburg, welcher dann Kapitän wurde, dabei. Einst verlautete, daß der Kommandant des Forts den Seeoffizieren einen Ball oder so etwas Aehnliches gebe. Sternburg war es selbst, der diese Nachricht brachte. Wenn sie sich bewahrheitete, so war die Gelegenheit geboten, dem Feinde einen Streich zu spielen, und daher
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