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Scepter und Hammer

Scepter und Hammer

Titel: Scepter und Hammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht, so fordert sie durch Blick, Bewegung und Geberde dazu auf. Sie hatte mich lieb, aber sie will ihre Vorzüge nicht mir allein widmen, sie bedarf auch der Anerkennung Anderer, welche sie mit suchendem Auge einkassirt. Bei einem solchen Charakter oder vielmehr Naturell ist sie allen Versuchungen ausgesetzt, denen gegenüber sie nicht diejenige Festigkeit besitzt, welche erforderlich ist zur inneren und äußeren Treue gegen den Geliebten.«
    »Du richtest zu streng. Auch ich habe sie später etwas weniger ernst gefunden, als ich sie vorher taxirte; aber sie ist noch jung, und die mangelhafte Erziehung wird sich nachholen lassen.«
    »Du bist ein großer Psycholog, Paul, um zu wissen, daß eine junge zweiundzwanzigjährige Dame noch zu ziehen ist.«
    »Pah! Du als Literat, der sehr berühmte Romane und Novellen schreibt, bist natürlich seelenkundiger als der bescheidene Uhrmacher Paul Held; aber ich meine, wenn ein Mädchen den Mann ihrer Wahl wirklich lieb hat, so wird sie ihren Fehlern gern entsagen.«
    »Richtig, doch von diesem gern entsagen bis zum wirklichen Aufgeben der Fehler ist ein weiter und schwieriger Weg, zu welchem eine Charakterfestigkeit gehört, welche dem Leichtsinne entgeht. Emma hat mich heut noch innig lieb, aber ihre Gefallsucht wird sie auf Abwege treiben, auf denen sie vielleicht jetzt schon wandelt.«
    »Karl!« rief der Andere zum zweiten Male.
    »Ich bleibe bei dieser Behauptung. War es früher nicht ihr größtes Glück, des Abends an meinem Arme sich zu erholen? Und was thut sie jetzt? Sie verspricht mir, zu kommen, hält aber selten Wort, und wenn ich nachforsche, so höre ich, daß sie nicht daheim geblieben, sondern bei dieser Frau Schneider gewesen ist, deren Existenz mir eine höchst problematische zu sein scheint. Dieses Weib hat eine Tochter, welche den Anziehungspunkt gewisser Herrenkreise bildet. Ich habe Emma gebeten, die Familie zu meiden, sie hat meinen Wunsch nicht berücksichtigt; ich habe es ihr mit Strenge befohlen, sie ist mir ungehorsam gewesen; ich säe Aufrichtigkeit und ernte Lügen; diesem Zustande möchte ich ein Ende machen und kann es doch nicht, weil ich – – sie zu innig, zu innig liebe!«
    »Armer Freund!«
    »Ja, arm, sehr arm! Wie reich und glücklich war ich vorher. Ich gehöre zu den gelesensten Novellisten; man bezahlt meine Arbeiten so, daß ich mehr einnehme als ich bedarf; ich könnte es schnell vorwärts bringen, doch glaube mir, Paul, seid meiner Bekanntschaft mit Emma habe ich nicht eine einzige Arbeit vollendet, welche ich mit gutem Gewissen dem Drucke hätte übergeben dürfen. Wenn es so fortgeht, so bin ich geistig und wirthschaftlich ruinirt.«
    »Sei einmal ernst mit ihr!«
    »Ich bin es gewesen, doch hilft der Ernst so wenig wie die Liebe. Ich möchte am Liebsten – – doch schau dort hinüber! Ist das nicht Anna?«
    »Ja, sie ist es,« meinte Held, erfreut über den Anblick der Geliebten.
    »Und allein – ganz so wie ich vermuthete!«
    Die junge Dame, jene sanfte Blondine, von welcher Karl Goldschmidt gesprochen hatte, begrüßte die Beiden und wandte sich dann an den Literaten.
    »Ich bringe Emma leider heut nicht mit –«
    »Heut? Sagen Sie lieber – immer!«
    »Sie versprach mir noch am Nachmittage, mitzugehen, doch als ich kam, um sie abzuholen, war sie bereits ausgegangen.«
    »Dann kehre ich nach Hause zurück.«
    »Bleibe bei uns, Karl! Du störst uns nicht,« bat Held.
    »Das weiß ich. Aber Du weißt nicht, was es heißt, Andere glücklich zu sehen, selbst aber unglücklich zu sein. Gute Nacht!«
    Er ging, doch nicht nach Hause, sondern unwillkürlich lenkte er seine Schritte nach der Straße, in welcher Emma’s Vater wohnte. Dieser schien ausgegangen zu sein, da keines der Fenster erleuchtet war. Karl wußte, daß nur ein Vorsaalschlüssel vorhanden sei und kannte auch den Ort, wohin dieser gelegt wurde, wenn Vater und Tochter nach verschiedener Richtung die Wohnung verließen. Er stieg die Treppe empor, zog den Schlüssel unter dem Schranke hervor und öffnete. Dann trat er in Emma’s Zimmer, welches nach der Seite des Hofes lag. Es war ihm niemals eingefallen zu lauschen oder zu spähen, jetzt aber hielt er es als eine Pflicht gegen sich selbst, nach Momenten zu suchen, welche geeignet waren, ihm über das Verhalten der Geliebten Aufklärung zu geben.
    Er brannte die Lampe an und warf einen Blick im Zimmer umher. Er fand Alles in der gewohnten Ordnung. Wollte er irgend einen Anhalt gewinnen, so mußte er eingehender

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