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Scepter und Hammer

Scepter und Hammer

Titel: Scepter und Hammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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forschen. Er untersuchte den Schrank, den Sekretär, die Nähtoilette und die Kästen der Kommode. Schon war er mit den Letzteren beinahe zu Ende, so erblickte er ein Kästchen, welches ihm vollständig fremd war; es mußte erst kürzlich in den Besitz der Geliebten gekommen sein. Er öffnete es und fand einige duftende Couverts, auf denen ein sammetnes Etui lag. Das Letztere enthielt eine kostbare Schmuckgarnitur, und in jedem Couverte stak ein zierlich geschriebenes Billetchen. Er las die Letzteren; sie dufteten so sehr nach dem Weihrauche der Bewunderung und enthielten der Schmeicheleien so kräftige, daß nur einer unkundigen Seele die grobe Absicht dieser Schreibereien entgehen konnten. Unterschrieben waren die Billets mit ›von Polenz, Oberlieutenant.‹
    »Hund!« knirschte Karl. »Oder ist es nicht Hundenatur, auf fremdem Gebiete zu revieren? Diese Herren dürfen mit ihren sogenannten noblen Passionen ungestraft das Glück und Wohl ihrer Nebenmenschen tödten, und wenn ein armer Teufel vor Hunger die Hand nach einem elenden Stücke Geldes ausstreckt, so reißt man ihn aus all seinen Verhältnissen, aus der menschlichen Gesellschaft, und steckt ihn, der nur noch als eine Nummer gilt, zwischen kalte nackte Mauern, die er nur verläßt, um die Seinen noch ärger bestraft zu finden, als er selbst es war. Ich werde diesen Lieutenant von Polenz finden und ein Wörtchen mit ihm sprechen!«
    Er brachte Alles wieder an den früheren Platz zurück und verließ dann die Wohnung.
    Nicht weit von derselben stand das Haus, dessen Parterre die Familie Schneider bewohnte. Er trat an einen der Fensterläden und horchte. Das helle fröhliche Lachen Emma’s, welches ihn früher so oft beglückt hatte, ertönte im Innern. Hatte sie ihm ihr Wort gebrochen, blos um den Abend bei diesen Leuten zuzubringen? Er zweifelte. Zwar hatte er auf den Billets keine Bestellung für den heutigen Abend gefunden, doch konnte Emma diese schriftliche Bestellung, wenn eine solche erfolgt war, auch anderswo versteckt oder zu sich genommen haben. Er beschloß daher, jedenfalls zu warten, was der Abend bringen werde.
    Gegenüber lag ein hohes, alterthümliches Haus mit einem breiten, tiefen Thorwege. Der eine Flügel des letzteren stand offen, und er trat in den dunklen Flur und schloß das Thor in der Weise, daß nur eine Spalte blieb, um die Straße zu beobachten.
    Er hatte noch nicht lange in diesem Verstecke gestanden, als er von fern her Sporen klirren hörte. Zwei Männer nahten und hielten unweit des Thorweges an, es waren Offiziere.
    »Wohin führen wir sie heut?«
    »Promeniren?«
    »Pah, poussiren!«
    »Also nach den Promenaden?«
    »Zu volkreich. Will allein sein mit ihr!«
    »Also Stadtpark – entfernteste Parthie, da wo der Reitweg endet?«
    »Ja.«
    »Es gibt dort zwei sehr bequeme Bänke, von dichtem Gebüsch überschattet. Kein Mensch verirrt sich in diesen Winkel.«
    »Trefflich! Habe mir mit diesem Mädchen beinahe Mühe geben müssen – soll nicht umsonst gewesen sein – will süßen Lohn, haha – – Sie gehen mit der Ihren voran; ich werde folgen!«
    Dieser Letztere sprach kurz und in einem Tone, welchem man die Gewohnheit des Befehlens anhörte. Sollte er wirklich bloßer Lieutenant sein?
    Der andere stieß einen halblauten Pfiff aus, und kurze Zeit darauf öffnete sich drüben die Thür. Emma trat hervor; der Befehlshaberische nahm sie sofort in die Arme und küßte sie. Hinter ihr verließ ein anderes Mädchen das Haus, welches der andere Offizier am Arme nahm, um sich sofort nach der vorgezeichneten Richtung zu bewegen.
    »Emma, mein schönes, süßes, entzückendes Kind,« hörte Karl seinen Nebenbuhler sprechen, »sind Sie gern gekommen?«
    »Gern!«
    »Und hat dieser – dieser Scriblifax, dessen Sie sich nicht erwehren können, nicht Beschlag auf den heutigen Abend gelegt?«
    »O ja!«
    »Und Sie sind nicht mit ihm gegangen! Meinetwegen, nicht wahr, mein himmlisches Mädchen?«
    »Ja, nur Ihretwegen, Herr Lieutenant!«
    »Recht so, meine Venus, mein unvergleichlicher Engel! Habe mich lieb, nur mich allein, dann wirst Du Glück finden ohne Ende, ein Glück, von welchem wir heut die süßesten Tropfen schlürfen können. Komm, laß uns gehen!«
    Sie folgten dem vorausgegangenen Paare.
    Karl lehnte hinter dem Thore und hatte die fieberheiße Stirn an die kalte Mauer gelegt.
    »Verloren – Alles, alles verloren! Sie wird ihm gehören und dann zu Grunde gehen. Emma, wie lieb, wie unendlich lieb habe ich Dich gehabt! Und

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