Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Scepter und Hammer

Scepter und Hammer

Titel: Scepter und Hammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
entzücken mußte. Vor Allem aber war das Auge bewundernswerth. Aus der orientalisch-mandelförmig geschlitzten Öffnung desselben strahlte unter den langen Lidern und seidenen Wimpern der tiefschwarze Stern eine Gluth hervor, welche aus geheimnißvollen, unbewußten Tiefen zu kommen schien, eingehüllt vom Schleier jungfräulicher Ahnungslosigkeit, und doch zuweilen auf einen Augenblick so mächtig und unwiderstehlich hervorbrechend, daß sie sicher Jeden traf, der sein Herz diesem Blicke unbewacht entgegenstellte. Sie saß in halb nachlässiger, halb stolzer Haltung im Moose. Ihre Kleidung war bei weitem besser und vollständiger, als die der Anderen, und es ließ sich leicht bemerken, daß auf dieselbe diejenige Sorgfalt verwendet wurde, welche auch unter den mißlichsten Umständen jedes weibliche Wesen für ihr Aeußeres besitzt.
    Die andere Person war ein Jüngling.
    Er hatte sich mit dem Rücken an einen nahen Baum gelehnt und die Arme über der Brust in einander geschlungen. Leute, welche gern oder auch unbewußt eine solche Stellung einzunehmen pflegen, besitzen gewöhnlich eine bedeutende Entwicklung derjenigen Eigenthümlichkeiten, deren Gesammtheit man mit dem Worte Charakter bezeichnet. Ein aufmerksamer Beobachter hätte sich vielleicht über die Farbe seiner Haut verwundert. Sie war weder weiß, wie dies bei dem Kaukasier zu sein pflegt, noch hatte sie diejenige Bräune, welche den Zigeuner kennzeichnet; eher hätte man sie grau nennen können, grau, vermischt mit demjenigen Braun, welches von Wind und Wetter und den Einwirkungen der Sonne herrührt. Er trug ein Paar kurze, weite Hosen, welche sicher für andere Körperverhältnisse gefertigt worden waren; zwischen ihnen und der Jacke, welche vielfach zerrissen war und für einen weit jüngeren Menschen gefertigt zu sein schien, blickte ein schmutziges Hemd hervor; den Kopf bedeckte eine Mütze, welche ihr Schild verloren hatte; die Füße waren nackt und durch die Aermel der Jacke blickte stellenweise ebenso nackt der muskulöse Arm. Durch eines dieser Löcher blickte in tiefem Schwarzroth eine wunderbare Zeichnung, welche gleich einer Tätowierung der eigenthümlich gefärbten Haut eingeprägt war. Sie stellte ein Wappen vor, dessen einzelne Züge allerdings so ausgezogen und ausgedehnt erschienen, daß das Ganze einen gewissen Grad von Undeutlichkeit besaß und es sehr anzunehmen war, daß die Tätowierung bereits vor längeren Jahren angebracht worden sei. Sein Haar besaß eine tiefschwarze Farbe; ein aufmerksamer Beobachter hätte aber doch vielleicht bemerkt, daß es an den Wurzeln einen bedeutend lichteren Ton zeigte und die Haut unter ihm so rein und weiß war, wie man sie vorzugsweise bei blonden Leuten beobachtet. Das Gesicht hatte unbedingt ein nordisches Gepräge. Die ungewöhnlich hohe und breite Stirn, das offene, blaugraue Auge, die geradegeschnittene Nase, das längliche, regelmäßige Oval des Gesichtes deuteten nicht auf eine indische oder egyptische Abstammung hin, und so kam es, daß der Jüngling in seinem gegenwärtigen Habitus einen beinahe befremdenden Eindruck hervorbrachte, welcher unterstützt wurde durch die Ruhe und Sicherheit seiner Haltung und Bewegungen, welche bedeutend abstach gegen das Rastlose und Unstäte, welches den Zigeuner zu aller Zeit gekennzeichnet hat.
    Trotz dieser äußeren Ruhe schien er sich in einer innern geistigen Erregung zu befinden. Seine Züge glänzten, sein Auge leuchtete ekstatisch, und der Blick desselben schien in weite, weite Fernen gerichtet und Gestalten zu schauen, deren Anblick dem gewöhnlichen Sterblichen versagt ist. Das Gesicht des Mädchens nahm den Ausdruck der Bewunderung an, als sie in anerkennendem Tone ausrief: »Katombo, Dir ist ein Geist gegeben, der größer und mächtiger ist, als die Gabe der Weissagung. Soll ich Dir noch eine Aufgabe ertheilen?«
    »Thue es, Zarba!« antwortete er.
    »Weißt Du, wo Bhowannie, die Göttin der Gitani, wohnt?«
    »Auf Nossindambo, welches vom Volke der Christen Madagaskar genannt wird.«
    »Richtig! Hoch droben im Ambohitsmenegebirge steht ihr Thron, und tief unter den Bergen von Befour schläft sie des Tages, um erst beim Beginn des Abends zu erscheinen. Kannst Du Dir denken, wie sie aussieht? An stillen Abenden glänzt ihr Haupt in den Sternen, und mit lieblichem Lächeln badet sie die schimmernden Füße in den wogenden Fluthen des Meeres, bis der Tag erscheint, vor dessen Kusse sie nach Westen flieht. Kannst Du das beschreiben in der

Weitere Kostenlose Bücher