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Schabernackel

Schabernackel

Titel: Schabernackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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wohl nicht gerechnet, wie? Warte nur, du wirst bestimmt noch andern hübschen Raubtieren begegnen!
    Harald hatte sich inzwischen so weit von dem gewaltigen Tiger entfernt, daß er es wagen konnte, sich umzudrehen und davonzulaufen. Wie ein gehetztes Reh überquerte er die Straße, versteckte sich in einem Hauseingang und glaubte sich dort in Sicherheit. Da öffnete sich die Tür, und ein Hund, eine Dogge mit plattgedrückter Schnauze und kurzem Stummelschwanz, schob sich heraus.
    Harald sah ihn so groß wie ein Pferd. Er machte den Mund auf, um zu schreien, brachte aber keinen Ton hervor. Starr vor Entsetzen lehnte er an der Wand und erwartete sein Ende.
    Der Hund, gutmütig wie alle Doggen, schnupperte an seinen Knien und trat ihm dabei ganz ohne böse Absicht auf den Fuß. Und weil ihm heiß war, klappte er das Maul auf und ließ die Zunge heraushängen.
    Jetzt frißt das Ungeheuer mich auf! mochte der Junge denken, als er die fingerlangen Zähne sah. Jetzt ist alles aus! Oh, hätte ich doch nie einen Hund oder eine Katze geschlagen, hätte ich nie Frösche gequält und Fliegen die Beine ausgerissen!
    Er schloß halb ohnmächtig vor Angst die Augen und glaubte schon den Biß des Hundes an seiner Kehle zu spüren. Doch das Untier war kein Untier, es biß niemanden und schon gar nicht einen Jungen, der wie Espenlaub zitterte und nach Furcht und Feigheit roch. Nachdem der Hund mit seiner rauhen Zunge Harald noch einmal über das linke Knie gefahren war, hob er die Pranke von seinem Fuß und trottete auf die Straße hinaus, ein Hund, der es nicht nötig hat, zu springen und zu laufen wie ein kleiner Straßenköter.
    Harald brauchte eine halbe Ewigkeit, bis ihm klar wurde, daß er mit dem Leben davongekommen war. Er zitterte immer noch, als er endlich die Augen öffnete.
    Das Riesentier war weg, das sah er mit unsagbarer Erleichterung, aber unmittelbar vor ihm, keine Handbreit von seiner Nase entfernt, schwebte an einem fingerdicken Seil ein achtbeiniges haariges Ungeheuer herab!
    Eine Vogelspinne! fuhr es ihm durch den Kopf. Wenn die mich beißt, muß ich sterben!
    Mit letzter Kraft schob er sich an ihren ekelhaften Beinen und ihren gierigen Augen vorbei auf die Straße und rannte, rannte, rannte!
    Zweimal lief er an der Villa seiner Eltern vorüber, bis er endlich den Eingang fand.
    Schabernackel erlebte alles mit.
    „Mama, Mama“, schrie der Junge, „mach mir die Tür auf, schnell!“ Seine Mutter konnte ihn jedoch gar nicht hören, sie saß im Garten vor dem Teich und fütterte die Goldfische. Da lief Harald um das Haus herum und stürzte sich schluchzend in ihre Arme, als er sie entdeckt hatte.
    „Mama, Mama“, wimmerte er, „ich bin ein ganz böses Kind!“ Und er weinte so herzerweichend, daß selbst einem Stein die Tränen gekommen wären.
    „Nein, mein Haraldchen“, tröstete die Mutter, „das bist du nicht! Du bist mein lieber Junge, der brav und artig ist und um den mich alle Mütter beneiden.“
    „Nein, nein, nein!“ schrie er. „Ich bin böse, glaub es mir doch! Immer wenn ich abends durch die Stadt gehe, quäle ich alle Tiere, die ich treffe! Ich schlage sie mit einem Stock und trete sie mit dem Fuß. Oh, ich bin ja so gemein! So gemein bin ich! Aber ich schwöre dir, Mama, ich will es nie mehr wiedertun, nie, solange ich lebe! Das mußt du mir glauben, Mama! Kein Tier will ich mehr schlagen, keinen Käfer tottreten. Ich will sie alle in Ruhe lassen, alle, auch die allerkleinsten. Glaubst du es mir? Bitte, bitte, glaub es mir, Mama!“
    „Natürlich glaub ich es dir“, sagte seine Mutter, „natürlich!“ Und sie streichelte ihn liebevoll.
    „Die Tiere haben nämlich alle ihre Freunde geholt“, fuhr Harald fort. „Aus Afrika und überallher! In der Stadt laufen Tiger und Löwen und andere Raubtiere herum. Sogar Vogelspinnen sind da! Alle wollen sie mich töten! Oh, Mama, ich hab’ ja solche Angst!“
    Er hob den Kopf, um seine Mutter anzusehen, da fiel sein Blick auf die Fische im Teich.
    „Mama!!!“ schrie er. „Da sind ja Haifische im Teich! Komm weg hier, die wollen mich fressen!“
    „Mein armes Kind“, sagte die Mutter, „du bist krank. Ich muß den Arzt holen. Komm, ich bring dich erst mal zu Bett, du hast ja schon Fieberfantasien.“
    Sie legte ihren Arm um seine Schulter und führte ihn ins Haus.
    „Und wenn du ihn noch so gut pflegst“, sagte Schabernackel leise, „sein Fieber wird drei Wochen lang anhalten. Dann aber wird er gesund sein, und ich möchte wetten, daß

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