Schach mit einem Vampir
Fraizer. Dr. Lewis Goldstein hat mich über Ihr Kommen informiert. Er sagte, Sie hätten Fragen an mich. Ganz spezielle Fragen zu einem heiklen Thema. Aber bitte, kommen Sie erst einmal mit mir in mein Arbeitszimmer.“ Ashwill wendete routiniert den Rollstuhl mithilfe der kleinen Handsteuerung, die sich in Reichweite seiner rechten Hand befand, und rollte dem Detektiv voraus durch einen im Halbdunkel liegenden Flur. Auf halber Höhe zum Arbeitszimmer ging eine steile Holztreppe in das obere Stockwerk ab. Fraizer vermutete, dass dort eine Haushaltshilfe des Professors lebte, die natürlich um diese Uhrzeit schon zu Bett gegangen war. An den Wänden des Flurs, in dem es noch weitere vier Türen gab, hing auf jeder Seite je ein großes Kruzifix. Unterhalb des religiösen Zeichens waren Knoblauchzehen befestigt.
A s hwill muss ein frommer Mann sein , überlegte Fraizer. Doch was soll der stinkende Knoblauch? Hat er ein Ungezieferproblem im Haus und erhofft sich dadurch, dass die kleinen Tierchen wieder verschwinden? Er folgte dem Professor in ein hell erleuchtetes Arbeitszimmer auf der Rückseite des Hauses. Das Zimmer war vollgestopft mit Büchern und allerlei merkwürdigen Dingen. Dort, wo kein überfülltes Bücherregal stand, hingen Dämonenmasken, einigeverzierte Speere und kunstvoll bemalte Äxte aus Afrika an den Wänden. Auch in diesem Zimmer gab es ein Kreuz und einige Knoblauchknollen. Auf den Regalen, wo es die Fülle noch zuließ, standen hässliche Steinfiguren aus Asien und unheimliche Skulpturen aus Südamerika. Auch diese stellten dämonische Wesen oder furchtbare, aber in Vergessenheit geratene Gottheiten dar. Dann gab es noch einige Fotografien. Die Männer, die sich mit Ashwill darauf hatten ablichten lassen, sahen aus wie Gelehrte. Im Hintergrund waren Ausgrabungsstätten zu sehen. Also war der Professor, trotz seiner Behinderung, in der ganzen Welt herumgekommen. Fraizer war beeindruckt. Der Professor war ein Mann mit starkem Willen und arrangierte sich mit seinem Schicksal. Ashwill steuerte seinen Rollstuhl hinter einen für ihn maßgeschneiderten Schreibtisch, auf dem ein Computerbildschirm und eine spezial angefertigte Tastatur auf einem Gestell standen. Auf der Arbeitsplatte lagen zudem noch eine Menge Bücher, zum Teil aufgeschlagen. Der Gastgeber bat Fraizer, in einem uralten Ohrensessel Platz zu nehmen, der dem Schreibtisch genau gegenüberstand. Der Raum wirkte trotz seiner Fülle sauber und aufgeräumt. Auch in dem Arbeitszimmer konnte der Detektiv den starken Knoblauchgeruch nicht ignorieren.
„Wie kann ich Ihnen weiterhelfen, Mr. Fraizer?“, eröffnete der Wissenschaftler das Gespräch.
„Nun, ich will gleich zur Sache kommen. Sie haben sicher in der Zeitung von der rätselhaften Mordserie des sogenannten Schachspielers gelesen. Ich bin Privatdetektiv und ermittle für einen Klienten in diesem Fall. Ich weiß nicht, was mein Freund Dr. Goldstein Ihnen über mich erzählt hat, was Sie über mich und meine Arbeit wissen? Goldstein zog die Möglichkeit in Betracht, dass Sie mir vielleicht neue Erkenntnisse über den Mörder zukommen lassen könnten. Deshalb möchte ich Ihnen einige Fragen stellen und hoffe, dass Sie mir darauf Antworten geben können. Doch wo soll ich beginnen?“ Der Professor hob eines seiner kurzen Ärmchen und kratzte sich an seinem Kinn.
„Ich weiß alles über Sie und über die Ermittlungsarbeit der Polizei sowie des FBI zum Fall des Serienmörders. Ich verfüge ebenso über die pathologischen Untersuchungsergebnisse der Opfer des Schachspielers in Manhattan. Lewis Goldstein stellte sie mir zur Verfügung. Ebenso erzählte mir der Gute alles über Ihre Detektei und das tragische Unglück, das Ihrem Partner Ray Phelps widerfahren ist.“ Fraizer war wie vor den Kopf gestoßen und einen Moment lang sprachlos. Lewis Goldstein hatte diesem Außenstehenden Einblick in die Ermittlungsarbeit der Behörden verschafft? Ihn über den aktuellen Stand der Arbeit des FBI in einem laufenden Fall unterrichtet? Damit machte er sich strafbar. Wenn das herauskommen sollte ... Und nicht zuletzt gefährdete er mit diesem Vertrauensbruch seinen Job am gerichtsmedizinischen Institut. Sicher, er hatte ihm, Fraizer, auch Informationen zukommen lassen. Das war auch nicht ganz legal ... Doch erstens würde das niemals jemand erfahren und zweitens trugen diese Informationen mit dazu bei, dass der Mörder unter Umständen schneller hinter Gittern gelangte. Denn je mehr gesetzestreue
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