Schach mit einem Vampir
Huitzilopochtli, dem Gott der Sonne und des Krieges, und Tlaloc, dem Gott des Wassers und der Fruchtbarkeit, grausame Opfer. Menschenopfer, Mr. Fraizer. Dabei riss man den männlichen Auserwählten, meist Gefangenen oder Sklaven, das Herz bei lebendigem Leibe aus der Brust heraus. Dafür gab es extra ein spezielles Messer mit einer Klinge aus Obsidian. Erst die Eroberer, die Spanier, machten diesem schrecklichen Kult um die Gottheiten der Ureinwohner ein Ende. Dieses grausame Ritual sollte bewirken, dass zum Beispiel am nächsten Tag die Sonne wieder aufging oder dass genug Regen für eine gute Ernte fiel. Die Gottheiten sollten für Fruchtbarkeit sorgen und ihr Volk vor Gefahren bewahren. Sie sehen, es gibt gewisse Parallelen zum Schachspieler . Auch er entfernt das Herz und muss dafürein Messer benutzen. Vielleicht ist es auch solch ein Besonderes, wie es die Azteken verwendeten? Dann gibt es noch Beispiele aus Indien und Afrika, bei denen der damals angenommene Mittelpunkt des Menschen, nämlich das Herz, aus den Leibern der Geopferten herausgeschnitten wurde, um grausame Gottheiten zu besänftigen. Doch das will ich jetzt nicht weiter ausführen und vertiefen. Ich will Sie nicht mit langen Vorträgen langweilen. Aber Sie sehen, solch kultische Rituale gab es in der Geschichte der Menschheit schon immer. Wenn ganze Völker diese Handlungen praktizieren, warum sollte es dann nicht auch so etwas im kleinen Rahmen, in einer Sektengemeinschaft, geben?“ Fraizer wurde nachdenklich.
„Sie meinen, eine Sekte könnte in der Tradition dieser Völker handeln und die alten Riten wieder ausüben?“
„Mag sein, Mr. Fraizer, mag sein. Oder die Sekte entwickelte ihren eigenen Kult. Doch da gibt es einige Dinge, die mich an dieser ersten Variante zu der Sektentheorie stören. Da wäre zum einen die rätselhafte Blutentnahme. Wie unser gemeinsamer Freund Lewis mir mitteilte, fand diese in den aktuellen Fällen immer vor dem Entfernen des Herzens statt. Erst post mortal wurde das Organ dann aus dem Leib geschnitten. Warum tat man das? Sicher, in einigen Kulturen trank man das Blut der Feinde, um so ihre Kräfte in sich selbst übergehen zu lassen. Man keulte seinen Feind und trank sein Blut. Doch das war eine kultische Handlung, die nur bei wenigen Völkern vorkam. Bekannt ist das bei den Kopfjägern auf Borneo, die ihre Feinde dann anschließend zum Teil verspeisten. Den Azteken sowie den anderen Völkern, die den Opfern die Herzen entfernten, war es sehr wichtig, dass das Opfer bei der Entnahme des Organs noch lebte. Nur so konnte ihr Gott beschwichtigt werden. Im Falle des Todes, also wenn die Handlung an einer Leiche durchgeführt worden wäre, hätte das ganze Zeremoniell nichts genutzt. Es wäre von der Gottheit nicht akzeptiert worden! Also warum entnahm man den Opfern des Schachspielers erst das Blut, und dann schnitt man den Toten das Herz heraus?Und als letzter störender Punkt kommt beimeiner ersten Variante der Sektentheorie noch Folgendes hinzu: das zusätzliche Verbrennen der Leichen nach dem Entfernen von Blut und Herz. Es widerspricht einer Opferung an eine Gottheit, sieht man das ganze Vorgehen in einem Zusammenhang mit einer rituellen Handlung. Das will so gar nicht zu den anderen, vorhergegangenen Praktiken passen! Denn das Verbrennen eines Toten ist zumeist ein religiöses Zeremoniell, das dem Toten Reinigung und das Transformieren seiner Seele in eine andere Daseinsebene ermöglichen soll. Es diente und dient auch heute noch als Katalysator, um den Geist oder die Seele, wenn Sie so wollen, der angebeteten Gottheit oder dem Paradies zuzuführen. Doch nicht, um eine Gottheit damit zu besänftigen, sondern es der Seele selbst zu ermöglichen, im himmlischen Reich fortzuleben. In manchen Religionen steht das Feuer als göttliche Reinigung der Seele, später kehrt diese dann in einen neuen Körper zurück und existiert ein weiteres Leben lang auf der Erde. Denken Sie an den Hinduismus in Indien. Auch dort verbrennen sie ihre Toten, um sie ihrer seelischen Erlösung nahezubringen. Oder nehmen Sie als anderes Beispiel die alten Wikinger. Auch sie pflegten diesen Totenkult. Das Verbrennen befreite den Verstorbenen aus der Welt der irdischen Abhängigkeiten. Feuer ist also etwas Gutes, wenn Sie so wollen. In diesen Beispielen geht es auch nicht um Menschenopfer, sondern die Toten verstarben natürlich – durch Unfall oder kriegerische Handlungen. Anders beim Schachspieler . Sie erlauben doch, dass ich die
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