Schach mit einem Vampir
hatte Fraizer gewartet. Nein, er hatte gehofft, dass der Mörder so handelte! Fraizer reagierte blitzschnell und ohne jegliche Verzögerung. Lautstark feuerte er eine Salve Kugeln durch den Gang. Die Schussgeräusche waren so laut, dass es fast das Trommelfell des Schützen zerfetzt hätte. Er zielte direkt auf den Körper des Angreifers. Doch nichts geschah! Eine Unsicherheit stieg in Fraizer auf. Währenddessen lief der Unheimliche weiter unbeirrt auf ihn zu. Jedes der Projektile hatte sein Ziel im Körper gefunden, doch der Getroffene blieb davon völlig unbeeindruckt.
Verdammt , dachte Fraizer, der nicht glauben konnte, was er selber sah. Er suchte wieder nach einer anderen Erklärung für das Unfassbare. Hat mir dieser Idiot von Waffenhändler Platzpatronen statt scharfer Munition verkauft ? Es waren jedoch keine Platzpatronen in seiner Waffe! Jede Kugel traf ihr anvisiertes Ziel, aber ohne den Gegner zu verletzen oder ihn auszulöschen. Wie konnte man auch etwas, was bereits tot war, töten? Der Schachspieler verschärfte sein Tempo. Er war nun so unmenschlich schnell, dass Fraizer sein Auftauchen hinter seinem Rücken gar nicht realisierte. Und als er ihn hinter sich wahrnahm, war es auch schon zu spät. Ein brutaler Schlag traf den Detektiv im Nacken. Die Waffe und die Taschenlampe fielen scheppernd zu Boden. Doch noch bevor dem Niedergeschlagenen die Sinne schwanden und er ebenfalls auf den harten Steinboden aufschlug, drängte sich ihm ein verzweifelter, endgültig wirkender Gedanke auf: Das ist mein Ende!
***
Ein Rascheln weckte ihn aus seiner Ohnmacht. Das Geräusch hörte sich so an, als würden Stoffe aneinanderreiben. Unendlich langsam hob er die schweren Augenlider. Nur mühsam und verschwommen nahm er seine Umgebung war. Es dauerte eine Weile, ehe er wieder klar sehen konnte. Sein Nacken schmerzte, als er seinen Kopf von einer grob gearbeiteten Tischplatte anhob. Er saß vorn übergebeugt auf einem einfachen Holzstuhl. Vor ihm stand ein ebenso schlichter Tisch. Privatdetektiv Fraizer richtete sich auf. Ein leichter Schwindel überkam ihn, doch dieser verflog, sein Kreislauf kam wieder in Gang. In der Mitte der Tischplatte war ein Schachspiel platziert worden. Auf dem Brett standen feinsäuberlich sortiert die Spielfiguren in ihrer Anfangsposition. Verwundert blickte sich der Detektiv um. Dabei rieb er sich den noch immer vom Schlag schmerzenden Nacken. Der Raum ebenso wie der Gang zuvor, in dem er niedergeschlagen worden war, bestanden aus roten Backsteinen. Er hatte eine kesselförmige Struktur, verjüngte sich von unten nach oben. Die Decke, in der ein großes kreisrundes Loch von ungefähr einmeterfünfzig klaffte, befand sich in fünf Metern Höhe vom Fußboden aus entfernt. Außer dieser Öffnung gab es noch einen mit Gewalt in das Mauerwerk der Seitenwand geschlagenen Durchbuch. War dieser der Zugang zu diesem seltsamen Raum? Vielleicht eine Verbindung zum Tunnel? Erst jetzt realisierte Fraizer richtig, dass alles um ihn herum von unzähligen großen Kerzen beleuchtet wurde. Ihre brennenden Dochte lieferten genügend Licht, um alles in dem Raum erkennen zu können. Hinter dem Detektiv war ein großes rotes Tuch vor die Wand gespannt worden. Diente es zur Verschönerung des kargen Raums oder verdeckte es etwas? Vielleicht einen weiteren Gang? Fraizer rieb sich die brennenden Augen. Erst in diesem Moment arbeitete sein Verstand wieder zu hundert Prozent. Da sah er sie. Die Frau lag auf dem Boden zu seiner Rechten. Sofort sprang der Detektiv auf die Beine, um ihr zu helfen. Kurze Zeit war er von der Erkenntnis überrascht, ungefesselt zu sein.
Doch dann wandte er sich wieder dem ruhig daliegenden, grazilen Körper zu. Er hastete zu der Regungslosen und kniete sich neben ihr nieder. Wie ein Schock fuhr es ihm in die Glieder, als er erkannte, um wen es sich bei der Person handelte. Es war niemand anderes als seine Klientin Miss Klara Meyers. Die junge Frau trug ein einfaches schwarzes Kleid. Der verschmutzte Stoff des Kleidungsstücks war weit über ihre Schenkel nach oben gerutscht und ihr brünettes langes Haar lag zerzaust auf dem schmutzigen Steinboden. Fraizer griff ihr an den Hals, wollte ihren Pulsschlag ertasten und die junge Frau aufrichten. Doch sofort zog er irritiert die Hand wieder von ihr zurück. Eine klebrige warme Flüssigkeit haftete an seinen Fingern. Es handelte sich um Blut. Er drehte ihren Kopf leicht zur Seite, um besser sehen zu können, woher das Blut kam, strich ihr das
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