Schach mit einem Vampir
hatte. Nun wurden all die Worte bestätigt, die Professor Ashwill ihm mahnend mit auf den Weg gegeben hatte. Und er würde zukünftig nie wieder an ihrem Wahrheitsgehalt zweifeln. Vor Wut schäumend schüttelte der Schachspieler seinen Kopf, verkrampfte die Hände, ballte sie mit brutaler Kraft zu Fäusten. Sein Gesicht veränderte sich rasant, verzog sich zu einer hässlichen, animalischen Fratze. Reißzähne bleckten in seinen Mundwinkeln. Ein wildes, bedrohliches Fauchen schlug Fraizer entgegen, sodass dieser vor Angst in seinen Stuhl hineinrutschte. Doch er wurde von der Bestie nicht angefallen. Blitzartig verschwand das Wesen in der kleinen Kammer und tauchte einen Lidschlag später neben Fraizers Platz wieder auf. Der Vampir hielt eine fette, zappelnde Ratte mit seinen Fingern umklammert. Das Tier fiepte und versuchte sich mit heftigen Bissen ausder Umklammerung zu lösen. Doch die Zähne des Nagers erreichten nicht das Fleisch seines Peinigers, sondern sie schnappten nur wild rasend in die Luft. Der Detektiv fuhr angewidert von seinem Platz auf. Denn in diesem Augenblick schlug der Vampir seine messerscharfen Zähne in den Leib der Ratte und sog gierig ihren warmen roten Lebenssaft aus ihrem Körper. Kurz darauf erschlafften die zappelnden Bewegungen, das Fiepen verstummte. Das Tier war tot. Der Unheimliche ließ die Ratte einfach zu Boden fallen und zertrat diese unter seiner Schuhsohle, gerade so, als wolle er eine Zigarettenkippe austreten.
„Ich, Mister Fraizer, bin das, was die Menschen einen Vampir nennen. Oder einen Wiedergänger, einen Untoten oder Blutsauger. Ich persönlich bevorzuge den Ausdruck Nachtwandler. Die Gesichtszüge des Vampirs entspannten sich, nahmen wieder menschliche Formen an. Fahrig wischte er sich mit dem Ärmel Tierblut von den Lippen. Er zeigte auf die junge Frau am Boden. Verstehen Sie nun, was hier vor sich geht? Ich habe keine Komplizen, stehe auch keiner Sekte vor. Ich bin allein! Nein, vielmehr war ich es. Bis heute! Denn ich machte dieses wundervolle Geschöpf dort am Boden zu meiner Begleiterin für die Ewigkeit. Ich wandle schon seit Jahrhunderten über die Erde. Ich habe Geschichte miterlebt, Revolutionen, Kriegen und technischen Veränderungen beigewohnt. Ich sah Generationen eurer Rasse kommen und gehen. Ich ernährte mich von ihnen. Irgendwann wurde meine Existenz jedoch eintönig und langweilig. Womit sollte ich meine Zeit füllen außer mit der Nahrungssuche? Ich dachte mir ein Spiel aus. Ich legte eine Spur, um auf mich aufmerksam zu machen.“
„Sie meinen, Sie fingen damit an, Schachfiguren in den Mündern Ihrer Opfer zu platzieren?“, unterbrach Fraizer den Vampir.
„Gewiss, doch es scherte niemanden. Zwar rätselte man, was es mit den Schachfiguren auf sich haben könnte, doch niemand ging der von mir gelegten Spur nach. Ich gab neue Hinweise auf mich. Ließ hier einmal einen Fußabdruck zurück, dort einmal einen Fetzen meiner Kleidung. Dochnichts! Erst Sie, Mister Fraizer, bissen an und folgten den Spuren. Und es war mir wirklich eine Freude, Sie bei der Verfolgung meiner gelegten Fährte zu beobachten. Es war wie ein Katz- und Mausspiel. Und darüber hinaus hatte die ganze Sache auch noch einen nützlichen Nebeneffekt. Da ich mich nun aus dem Spiel zurückziehen werde, brauchte ich einen Sündenbock für all die für mich notwendigen Morde , die ich als Schachspieler verübt habe. Und dieser sind nun einmal Sie! Falls Ihnen es jemals gelingen sollte, wieder aus diesem Gefängnis zu entkommen, was ich stark anzweifle, dann werden Sie eine der meistgesuchten Personen auf diesem Planeten sein. Denn man hält Sie nun für den Schachspieler . Die Spuren, die ich gelegt habe, deuten so eindeutig auf Sie als Täter hin, dass es an Ihrer Schuld nicht die geringsten Zweifel geben kann. Und ich hingegen werde fortan mit meiner Liebsten ein ruhiges Dasein fristen, ohne von irgendjemanden, wie zum Beispiel dem FBI, gestört zu werden.“ Zufriedenheit schwang in der Stimme des Vampirs mit.
„Hatten Sie denn nie die Befürchtung, dass das FBI oder die Polizei Ihren gelegten Hinweisen vor mir nachgeht und Sie dadurch zu fassen bekommt?“
„Niemals!“, antwortete der Untote mit einer stoischen Ruhe. „Der Intellekt der meisten Menschen lässt doch stark zu wünschen übrig, habe ich in all den Jahrhunderten meiner Existenz erfahren.“ Fraizer wurde durch die abwertenden Worte ungehalten.
„Mann, du redest vielleicht einen Mist. Die Menschen sind nicht so
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