Schachfigur im Zeitspiel
ist für Ihre Emigration zum Mars. Das müßte in ein oder zwei Tagen der Fall sein. Es braucht seine Zeit, bis der Transport arrangiert ist – der ganze Amtsschimmel und die Regierungs-Formulare …«
Das Haus, klein und Teil einer Gruppe von vielen, in einer Reihe errichteten Häuser, erinnerte Parsons an sein eigenes Heim. Auf den Vor der stufen hielt er einen Augenblick inne.
»Gehen Sie nur hinein«, sagte Stenog. »Der Wagen parkt selbsttätig.« Parsons spürte die Hand auf seiner Schulter und wurde die Stufen hinauf und auf die Veranda dirigiert. Durch die offenstehende Vordertür drang Musik heraus. »Sie haben vor dem Zeitalter des Radios gelebt, nicht wahr?« meinte Stenog, als sie eintraten.
»Nein«, sagte Parsons, »das kannten wir schon.«
»Ich verstehe«, sagte Stenog. Jetzt, am Ende des Tages, wirkte er müde. »Das Essen müßte fertig sein«, murmelte er, setzte sich auf ein langes, niedriges Sofa und zog die Sandalen aus.
Als Parsons im Wohnzimmer umherschlenderte, merkte er, daß ihn Stenog seltsam anstarrte.
»Ihre Schuhe«, sagte Stenog. »Hat man früher die Schuhe nicht ausgezogen, wenn man ein Haus betrat?«
Nachdem Parsons seine Schuhe ausgezogen hatte, klatschte Stenog in die Hände. Einen Moment später kam eine Frau aus dem hinteren Bereich des Hauses: Sie trug ein fließendes Gewand in leuchtenden Farben und war barfuß. Sie beachtete Parsons nicht. Aus einem niedrigen Wandschränkchen holte sie ein Tablett hervor, auf dem ein Keramiktopf und ein winziger glasierter Becher standen. Parsons roch Teeduft, als die Frau das Tablett auf einem Tisch neben dem Sofa abstellte, auf dem Stenog saß. Ohne ein Wort zu sagen, goß sich Stenog Tee ein und nippte daran.
Für mich also keinen, dachte Parsons. Weil er ein Krimineller war? Oder wurden alle Gäste so behandelt? Diese unterschiedlichen Sitten! Stenog hatte ihm die Frau nicht vorgestellt. War sie seine Frau? Sein Dienstmädchen?
Impulsiv setzte sich Parsons auf das andere Ende des Sofas. Weder Stenog noch die Frau ließen sich anmerken, ob er richtig oder falsch gehandelt hatte. Die Frau behielt den Blick ihrer schwarzen Augen auf Stenog geheftet, während er trank. Auch sie hatte, wie all die anderen, die Parsons bisher auf dieser Welt gesehen hatte, die langen, glänzenden Haare und die dunkle Hautfärbung. Aber bei ihr glaubte er den ersten Unterschied festzustellen. Diese Frau wirkte weniger zerbrechlich, sie war etwas schwerer gebaut.
»Dies ist meine Puella «, erklärte Stenog, nachdem er seine Tasse Tee ausgetrunken hatte. »Mal sehen …« Er entspannte sich, gähnte, offensichtlich froh, sein Büro weit weg zu wissen und hier in seinen eigenen vier Wänden zu sein. »Schon gut, ich werde versuchen, es für Sie zu umschreiben. Wir haben eine legale Beziehung, amtlich registriert. Sie ist freiwillig. Ich kann sie brechen – sie nicht.« Er setzte hinzu: »Sie heißt Amy.«
Die Frau reichte Parsons die Hand. Er ergriff und schüttelte sie. Diese Sitte hatte sich nicht verändert. Das Gefühl der Kontinuität hob seine Stimmung ein wenig, und dann spürte auch er, wie er sich entspannte.
»Tee für Dr. Parsons«, sagte Stenog.
Während die beiden Männer Tee schlürften, machte Amy das Abendessen fertig – irgendwo außer Sicht hinter einem zierlich wirkenden Paravent, den Parsons als eindeutig orientalisch einstufte. Und wie in seinem Büro hatte Stenog auch hier ein Cembalo stehen. Darauf lag ein Stapel Notenblätter, und einige davon sahen sehr alt aus.
Nach dem Abendessen erhob sich Stenog und sagte: »Kommen Sie, fahren wir zum Quell hinunter.« Er nickte Parsons zu. »Ich möchte, daß Sie unseren Standpunkt verstehen.«
Gemeinsam fuhren sie in Stenogs Wagen durch die Finsternis der Nacht. Die Luft wehte frisch und kalt in Parsons Gesicht. Der jüngere Mann ließ die Fenster – zweifellos aus Gewohnheit – geschlossen. Er schien sich in sich selbst zurückzuziehen, und Parsons versuchte nicht, ihn in ein Gespräch zu verwickeln.
Abermals wurden sie durch die Kontrollstationen geschleust, und da platzte Stenog ganz unvermittelt heraus: »Halten Sie diese Gesellschaft für morbide?«
»Es gibt gewisse Anzeichen dafür«, erwiderte Parsons. »Sichtbar für einen Außenstehenden. Der Schwerpunkt auf dem Tod …«
»Auf dem Leben, meinen Sie.«
»Als ich hier ankam, hat die erste Person, die meiner ansichtig wurde, versucht, mich zu überfahren und zu töten, und zwar eindeutig in dem Glauben, daß
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