Schachfigur im Zeitspiel
Fähigkeitssegmente, wie körperliche Eignung, geistige Fertigkeiten und intuitives Funktionieren in jeder Beziehung und auf jede Art und Weise umfassen; alles, von den abstraktesten bis hin zu den Objekt-Beziehungen und den manuellen Fähigkeiten, wird geprüft.«
Parsons verstand. »Der Beitrag von Keimzellen ist proportional zu den Testergebnissen jedes Stammes geregelt«, sagte er.
Stenog nickte. »In den letzten Turnieren hat der Wolfs-Clan sechzig von zweihundert Siegen errungen. Deshalb hat er dreißig Prozent der befruchteten Eizellen für die nächste Periode beigetragen, mehr als die drei folgenden ranghöchsten Stämme. Den prüfungsbesten Männern und Frauen wurden so viele Keimzellen wie möglich entnommen. Die Befruchtung findet natürlich immer hier statt. Nichtautorisierte Zygotenbildung ist illegal … Aber ich will Ihr Feingefühl nicht beleidigen. Extrem begabte Personen haben beträchtliche Beiträge geleistet, obgleich ihre jeweiligen Stämme niedrig rangierten. Sobald ein begabtes Individuum entdeckt ist, werden alle nur erdenklichen Anstrengungen unternommen, damit sein kompletter Vorrat an Keimzellen erhalten bleibt. So ist es zum Beispiel bei der Mutter Oberin des Wolfs-Clans. Keine von Loris’ Keimzellen geht verloren. Jede wird entnommen, sobald sie entsteht, und sofort am Quell befruchtet. Minderwertige Keimzellen, den Samen von Niederrangigen, ignoriert man und läßt ihn untergehen.«
Jetzt begriff Parsons mit erster wirklicher Klarheit das Schema, das dieser Welt zugrundelag. »Dann verbessert sich euer Erbgut ständig?«
»Natürlich«, sagte Stenog überrascht.
»Und das Mädchen namens Icara? Wollte sie sterben, weil sie verstümmelt und entstellt war? Weil sie wußte, daß sie im nächsten Turnier so hätte antreten müssen?«
»Sie wäre ein negativer Faktor gewesen. Sie war das, was wir Sub-Standard nennen. Ihr Stamm wäre durch ihre Teilnahme in eine schlechtere Einstufung geraten. Aber sobald sie tot war, wurde eine qualifiziertere Zygote aus einem späteren Bestand als dem ihren freigegeben. Und zur gleichen Zeit wurde ein neunmonatiger Embryo aus dem Seelenquader gelöst und in die Gesellschaft entlassen. Ein Biber ist gestorben. Deshalb wird dieses neugeborene Baby das Emblem des Biber-Clans tragen. Es wird Icaras Platz einnehmen.«
Parsons nickte langsam. Dann hat der Tod, stellte er fest, eine positive Bedeutung. Er ist eine besondere Form der Unsterblichkeit. Nicht das Ende des Lebens. Und nicht nur deshalb, weil es diese Leute glauben wollen, sondern weil es eine Tatsache ist. Ihre Welt ist so konstruiert.
Dies ist kein leerer Mystizismus! wurde ihm klar. Dies ist ihre Wissenschaft.
Auf der Rückfahrt zu Stenogs Haus betrachtete Parsons die helläugigen Frauen und Männer, die auf den Bürgersteigen unterwegs waren. Markante Nasen und Kinnpartien. Reine Haut. Eine hübsche Rasse eindrucksvoller Männer und vollbrüstiger junger Frauen, alle in der Blüte ihrer Jugend. Lachend eilten sie durch ihre schöne Stadt.
Einmal erblickte er einen Mann und eine Frau, die auf einer spinnwebartigen Rampe entlanggingen, die aus einem Streifen schimmernden Metalls bestand, der zwei Türme miteinander verband. Beide waren sie nicht über zwanzig. Sie hielten sich an den Händen, wie sie dort dahinschlenderten, redeten und lächelten einander an. Er sah das kleine, scharf gezeichnete Gesicht des Mädchens, schlanke Arme, winzige Füße in den Sandalen. Er sah ein prächtiges Gesicht, voller Leben, Glück und Gesundheit.
Ja, dies war eine auf den Tod aufgebaute Gesellschaft. Der Tod war ein alltäglicher Bestandteil ihres Lebens. Individuen starben, und niemand war beunruhigt, nicht einmal die Opfer. Sie starben glücklich und froh. Aber es war falsch, es war gegen die Natur. Ein Mensch sollte sein Leben doch instinktiv verteidigen, es über alles andere stellen. Diese Gesellschaft leugnete einen Grundtrieb, der allen Lebewesen zu eigen war.
Er suchte nach Worten, wollte sich exakt ausdrücken und sagte: »Sie führen den Tod in Versuchung. Wenn jemand stirbt, sind Sie froh.«
»Der Tod«, sagte Stenog, »ist ein Teil des Existenzzyklus, genauso wie die Geburt. Sie haben den Seelenquader gesehen. Der Tod eines Menschen ist genauso bedeutsam wie sein Leben.« Er sprach abgehackt, da ihn der Verkehr vor ihnen veranlaßte, seine Aufmerksamkeit wieder auf das Fahren zu konzentrieren.
Und trotzdem, dachte Parsons, tut dieser Mann alles, was nur in seiner Macht steht, um zu
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