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Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Maschine hatte ihm nichts zu sagen. Auf dem Rückflug transportiert sie keine Passagiere, stellte er fest. Das Schiff erzitterte, und durch die Sichtluke sah er einen grellen Blitz. Irgendwelche Düsen waren in Aktion getreten.
    Voller Grauen stellte er fest, daß er wieder durch den Raum unterwegs war. Von einem Punkt im Nichts zu einem anderen. Wie lange würde das so weitergehen mit diesem sinnlosen Zubringerdienst?
    Durch die Sichtluke sah er, wie die Sterne ihre Positionen veränderten, als sich das Schiff in seinen Rückkehrkurs einpaßte. Hoffnung erfüllte ihn. Vielleicht erwartete ihn an der nächsten Endstation die Erde. Durch ein technisches Versagen hatte ihn das Schiff nicht zum Mars, sondern zu einem zufälligen, willkürlichen Punkt gebracht, aber jetzt würde dieser Fehler korrigiert werden. Jetzt würde er wieder dorthin zurückkehren, von wo aus er aufgebrochen war.
    Fünfundsiebzig Minuten später – so schätzte er – erbebte das Schiff wieder und öffnete seine Eingangsschleuse. Wieder starrte er in die Leere hinaus. O Gott, dachte er. Es gibt nicht einmal das körperliche Gefühl von Bewegung, nur die verstandesmäßige Feststellung, daß ich zwischen zwei weit voneinander entfernten Punkten hin- und hergependelt bin. Über Millionen und Abermillionen von Meilen hinweg.
    Nach wenigen Sekunden glitt das Schott zu. Der Alptraum wiederholt sich, dachte er. Dieser furchtbare Traum von sinnloser Bewegung. Wenn er seine Augen schließen, die Sichtluke nicht anstarren und seinen Verstand vom Denken abhalten würde …
    Ich stehe am Rande des Wahnsinns, fürchtete er.
    Wie leicht konnte das Schiff in einem wahnsinnigen Rücksturz versinken, während er hier in diesem Sessel ruhte. Er konnte nackte Tatsachen nicht einfach ignorieren.
    Aber in ein paar Stunden würde er hungrig sein. Schon jetzt war sein Mund trocken geworden. Er würde verdursten, lange bevor er an Hunger starb.
    Die Maschine sagte mit der gelassenen Stimme, die ihm jetzt so vertraut war: »Der Flug zu den marsianischen Siedlungen dauert annähernd fünfundsiebzig Minuten. Sie werden mit angemessener Belüftung und Wärme versorgt werden, jedoch gibt es keine Bereitstellung von Essen, außer im Notfall.«
    Ist das hier etwa kein Notfall, dachte Parsons. Wird sie ihn als solchen erkennen? Vielleicht wenn ich halb verdurstet bin.
    Wird sie mich dann mit Wasser aus irgendwelchen Hähnen in den Schiffswänden anspritzen? Ihm gegenüber schwamm das Stück grauen Rattengewebes in der Nährflüssigkeit. Du bist nicht lebendig, sagte Parsons in Gedanken. Du leidest nicht, dir ist das Ganze hier nicht einmal bewußt.
    Er dachte an Stenog. Hatte er das geplant? Parsons konnte das nicht glauben. Dies war ein schrecklicher, grotesker Unfall. Niemand hatte das geplant.
    Irgend jemand hat die Erde und den Mars gestohlen, dachte er. Und mich vergessen. Holt mich auch, dachte er. Vergeßt mich nicht. Ich will mitkommen.
    Die Maschine klickte und sagte: »Dieses Schiff ist so konstruiert, daß Manipulationsversuche eine Detonation hervorrufen.«
    Er spürte das Aufsteigen bizarrer Hoffnung. Besser, das Schiff explodierte, als daß es ewig durch das Nichts irrte. Vielleicht gelang es ihm, sich zu befreien … Alles war besser als das hier.
    In der Sichtluke sah er die fernen Sterne in einer unbekannten Konstellation.
    Während er auf die Luke starrte, löste sich ein Stern von den anderen. Es war kein Stern. Es war ein Gegenstand. Der Gegenstand wurde größer.
    Er kommt näher, dachte Parsons. Eine Zeitspanne, die ihm unerträglich lang vorkam, blieb der Gegenstand wie er war, wurde weder größer noch kleiner. Er konnte nicht sagen, was es war. Ein Meteor? Ein Stück Weltraum-Schutt? Ein Schiff, das auf Distanz blieb?
    Die Maschine sagte: »Gleich landen wir. Seien Sie auf eine Reihe von Erschütterungen gefaßt, wenn sich das Schiff anpaßt.«
    Dieses Mal, dachte Parsons, ist da draußen etwas. Nicht der Mars. Kein Planet. Sondern – irgend etwas.
    »Gleich landen wir«, sagte die Maschine und begann wie zuvor eine rasche Folge von unbestimmbaren Geräuschen auszustoßen. »Wir sind gelandet«, sagte sie schließlich.
    Das Schott glitt auf. Wieder die Leere. Wo ist dieses Ding, fragte sich Parsons stumm. Ist es verschwunden? In seinen Sessel geschnallt konnte er nichts tun, als hilflos abzuwarten. Bitte, geh nicht weg, betete er.
    In der Eingangsschleuse rastete eine undurchsichtige Platte ein und versperrte die Sicht auf die Sterne.
    »Hilfe!«

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