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Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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sind.« Sie hob den Kopf und schüttelte ihre schwarze Haarmähne zur Seite. »Und du weißt, daß Corith das nicht ist. Wie könnte ich sonst existieren?«
    »Stimmt«, sagte er.
    »Nixina, meine Großmutter, war vor Jahrzehnten, zu ihrer Zeit, die Mutter Oberin. Sie hat es geschafft, ihn vor den Sterilisationsprozeduren zu bewahren. Es war fast unmöglich, weil sie so sorgfältig sind. Aber sie brachte es fertig, und er wurde fortan in den Listen als sterilisiert geführt.« Unter seinen Händen zitterte ihr Körper. »Die Frauen sind nicht sterilisiert, wie du weißt. Deshalb gab es keine Schwierigkeiten, als er sich mit meiner Mutter Jepthe paarte. Die Vereinigung fand hier statt, im geheimen. Dann wurde die befruchtete Eizelle in Vereisung zum großen Hauptquell gebracht und dem Seelenquader anvertraut. Zu dieser Zeit war Jepthe die Mutter Oberin, verstehst du? Sie hat die Zygote separat gehalten, bis sie sich zum Fötus entwickelt hatte … in der Tat während ihrer ganzen Entwicklung zum Embryo und schließlich bis zur Geburt.«
    »Und so ist es auch mit dem Rest deiner Familie gemacht worden?«
    »Ja. Etwa mein Bruder Helmar. Aber …« Jetzt stand sie aus ihrem Sessel auf und entfernte sich von ihm. »Verstehst du, sie haben es geschafft, alle männlichen Nachkommen Coriths zu sterilisieren. Er ist der einzige, der ihnen entgangen ist.« Jetzt war sie still.
    Parsons sagte: »Dann seid ihr zur weiteren Vermehrung eurer Familie von Corith abhängig.«
    Die Frau nickte.
    »Du eingeschlossen. Wenn du weitermachen willst.«
    »Ja«, antwortete sie. »Aber das ist jetzt nicht wichtig.«
    »Warum war es überhaupt je wichtig? Was habt ihr mit dieser Familie vorgehabt?«
    Sie hob den Kopf und trat Parsons stolz entgegen. »Wir sind nicht wie die anderen, Doktor. Nixina hat uns versichert, sie sei eine vollblütige Irokesen-Indianerin. Wir sind praktisch reinrassig. Ist dir das nicht aufgefallen?« Sie legte die Hand an die Wange. »Sieh dir mein Gesicht an. Meine Haut. Meinst du nicht, daß es stimmt?«
    »Vielleicht«, sagte er. »Aber es wäre fast unmöglich, das zu beweisen. Eine derartige Behauptung – sie klingt eher mystisch als sachlich.«
    »Ich ziehe es vor, sie zu glauben«, sagte sie. »Gewiß ist sie dem Sinn nach wahr. Wir sind die geistigen Erben, ihre Blutsbrüder in jeder Hinsicht und in allen bedeutsamen Empfindungen. Auch wenn es nur ein Mythos ist.«
    Parsons streckte die Hand aus und berührte ihren Unterkiefer, den festen Knochenrand. Sie wich nicht zurück und protestierte auch nicht.
    »Wir werden folgendes tun«, sagte sie, ihr Gesicht dicht vor seinem, so daß ihr Atem seinen Mund berührte. »Wir hatten vor, deinen Ahnen zuvorzukommen, Doktor. Leider hat das nicht funktioniert. Aber wenn wir erfolgreich gewesen wären, wenn wir in der Lage gewesen wären, die weißen Abenteurer und Piraten zu töten, die in die Neue Welt gekommen sind und dort Brückenköpfe eingerichtet haben, dann hätten wir unseren Stamm dort angesiedelt – uns! Was hältst du davon?« Ein spöttisches Lächeln erschien auf ihren Lippen.
    »Meinst du das ernst?« fragte er.
    »Natürlich.«
    »Dann hättet ihr als die Vorhut der Zivilisation fungiert – an Stelle der elisabethanischen und spanischen Edelleute und der holländischen Händler.«
    Darauf antwortete sie mit tiefer Ernsthaftigkeit: »Und es wären keine Herren über Sklaven gewesen. Es wäre nicht zur Vorherrschaft einer Rasse über eine andere gekommen. Eine natürliche Beziehung hätte sich ergeben: Die Zukunft, die die Vergangenheit leitet. «
    Er dachte: Ja, es wäre humaner gewesen. Keine Stämme, die ausgelöscht wurden, keine Konzentrationslager – die man beschönigend ›Reservationen‹ nannte. Zu schade, dachte er. Und er fühlte echtes Bedauern.
    »Es tut dir leid«, sagte sie und blickte ihn an. »Und du bist weiß. Wie eigenartig.« Das schien sie zu verwirren. »Du identifizierst dich nicht mit diesen Eroberern, nicht wahr? Und doch haben sie eure Zivilisation errichtet. Wir haben dich aus dem späteren Teil dieser Welt herausgefischt.«
    »Ich habe auch keine Hexen verbrannt. Und die vielen anderen Dinge dieser Art haben genausowenig meine Sympathie. Sind etwa alle Weißen gleich?« gab Parsons zurück.
    »Nein«, sagte sie. Aber sie gab sich jetzt kälter. Die Freundlichkeit war verschwunden. Sie glitt unter seinen Händen weg. Ganz plötzlich hatte sie ihn verlassen und ging davon.
    Er folgte ihr, packte sie, drehte sie zu sich herum

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