Schachfigur im Zeitspiel
die Standard-Handwaffe dieses Zeitalters.
»Was hätte seine Mannschaft davon gehalten? Die Männer wußten, was die Indianer für Waffen hatten.«
Loris sagte: »Je geheimnisvoller Drakes Tod für seine Mannschaft war, desto besser. Wir haben uns allein darauf konzentriert, an Drake heranzukommen. Und dafür zu sorgen, ihnen klarzumachen, daß Drake durch die Hand eines roten Mannes gestorben war.«
»Aber wie sollte ihnen das klargemacht werden?«
»Mein Vater wollte sie bluffen; er wollte sich ihnen zeigen – als Indianer. Monatelang hat er an seiner Verkleidung gearbeitet. Wenigstens haben mir das meine Mutter und Großmutter erzählt. Damals war ich natürlich noch nicht geboren. Er hatte ein besonderes Arbeitszimmer mit allen nötigen Werkzeugen und Materialien dort unten. Er hat seine Vorbereitungen geheimgehalten, selbst vor seiner Mutter und seiner Frau. Vor jedem. In der Tat …« – ihre Augenbraue zog sich vor Unbehagen kraus, als sie sich erinnerte – »… hat er sein Kostüm erst angezogen, als er dort in Nova Albion angekommen war, das Zeitschiff hinter sich gelassen hatte und allein war. Er behauptete, es sei bereits gefährlich, wenn ihn seine Familie vor der Tat darin sah.«
»Warum?« fragte Parsons.
»Er vertraute niemandem. Nicht einmal Nixina. Das sagen sie jedenfalls. Kommt dir das nicht seltsam vor? Sicher muß er ihnen vertraut haben; er muß seiner Mutter vertraut haben. Aber …« Unbeholfen fuhr sie fort, die Stirn gefurcht. »Jedenfalls hat er dort unten ganz allein gearbeitet und niemandem etwas gesagt. Wenn ihm jemand Fragen stellte, soll er vor lauter Zorn die widersprüchlichsten Dinge gesagt haben. Und Jepthe sagt, er habe sie mehrmals beschuldigt, ihn zu bespitzeln. Er war davon überzeugt, daß ihn jemand bei der Arbeit beobachtete und versuchen würde, sich zu einem bösen Zweck Zutritt zu seinem Arbeitszimmer zu verschaffen. Deshalb hielt er es natürlich eifersüchtig verschlossen. Er hat sich sogar selbst eingeschlossen, während er dort arbeitete. Ich weiß, daß er der Meinung war, fast jeder sei gegen ihn, besonders die Diener. Er weigerte sich sogar, welche zu beschäftigen.«
Der Mann war praktisch ein Paranoiker, dachte Parsons. Aber das paßte zu dem Gesamtplan, dem Gefühl historischer Ungerechtigkeit und dem Haß. Wie nahe der Idealist mit seiner fanatischen Leidenschaft doch dem Geistesgestörten war!
»Jedenfalls«, sagte Loris, »hatte er vor, sich ihnen schließlich zu präsentieren. Ganz auffällig wollte er sich benehmen, nachdem er Drake umgebracht hatte. Damit die Mannschaft Elizabeth berichtete, die roten Männer hätten Waffen, die denen der Engländer überlegen seien.«
Für ihn war diese Logik verworren. Und doch, was bedeutete das schon? Einzelheiten interessierten sie nicht. Der Gesamtplan, der sie blendete, bestimmte ihr Handeln. Dinge wie beispielsweise die Widersinnigkeit einer im sechzehnten Jahrhundert gebrauchten Handwaffe aus dem fünfundzwanzigsten Jahrhundert kamen ihnen dagegen läppisch vor. Und gewiß wären die Engländer beeindruckt gewesen.
»Warum könnt ihr nicht ohne Corith weitermachen?« fragte er.
Loris sagte: »Weil du nur einen Teil unseres Planes kennst.«
»Und wie sieht der andere Teil aus?«
»Willst du das wirklich wissen? Spielt es eine Rolle?«
»Erzähl es mir«, bat er.
Die Frau neben ihm seufzte und fröstelte in der Nachtluft. »Ich möchte hineingehen«, sagte sie. »Die Dunkelheit … sie deprimiert mich. In Ordnung?«
Zusammen verließen sie den Balkon und traten in Loris’ Apartment.
Dies war das erstemal, daß Parsons hierher eingeladen worden war. Auf der Schwelle hielt er an. Durch eine halb geöffnete Schranktür sah er die undeutlichen Umrisse der Kleider einer Frau. Roben und Gewänder. Pantoffeln. Und auf der anderen Seite des Raumes lagen Satindecken auf dem breiten Bett. Es gab üppige weinfarbene Vorhänge und einen dicken, bunten Teppich, den er sofort als aus der Vergangenheit des Nahen Ostens gestohlen identifizierte. Da hatte jemand den Zeitbagger ganz zu seinem persönlichen Vorteil benutzt und das Apartment in ausgezeichnetem Geschmack möbliert.
Loris setzte sich in einen Lehnstuhl, und Parsons blieb dicht hinter ihr stehen und legte die Hände auf ihre warmen, glatten Schultern. »Erzähl mir den Teil des Planes, den ich nicht kenne«, sagte er. »Und von deinem Vater.«
Loris wandte ihm weiterhin den Rücken zu, als sie sagte: »Du weißt, daß alle Männer sterilisiert
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