Schachfigur im Zeitspiel
gelegt.«
Parsons sagte: »Die Golden Hind .« Jetzt begriff er.
»Und Corith kam zu ihnen«, sagte die alte Frau und lächelte zu Parsons empor. »Und dafür … haben sie ihn erschossen. Mit einem Pfeil mitten durchs Herz. Und er ist gestorben.« Ihre Augen verblaßten, wurden trüb.
»Sie sollte besser ausruhen«, sagte Helmar. Behutsam führte er die alte Frau weg, der Ring der anderen graugekleideten Gestalten schloß sich um sie, und sie war verschwunden. Parsons sah sie nicht mehr.
Das war ihr großer Plan. Die Vergangenheit zu ändern, indem sie um Jahrhunderte zurückgingen, vor die Zeit der weißen Imperien. Er wollte Drake in Kalifornien im Lager überraschen, hilflos, solange das Schiff überholt und repariert wurde. Um ihn zu töten, ihn, den ersten Engländer, der einen Teil der Neuen Welt für England in Besitz nahm. Ihr Haß konzentrierte sich ganz besonders auf die Engländer, denn von allen Kolonialmächten waren sie am stärksten rassenbewußt gewesen. Diejenigen, die sich ihrer Überlegenheit über die Indianer am sichersten gewesen waren. Sie hatten sich nicht mit ihnen vermischt.
Parsons dachte: Sie wollten vor den Engländern dort sein, am Strand, sie wollten ihnen entgegentreten. Sie haben gewartet. Um sie mit gleichen Warfen oder möglicherweise sogar mit überlegenen Waffen niederzuschießen. Sie wollten es zu einem fairen Wettkampf machen – oder zu einem unfairen, aber andersherum.
Wie konnte er ihnen einen Vorwurf machen? Sie waren Jahrhunderte später zurückgekehrt, hatten sich neu gruppiert, um die Kontrolle über ihr Leben zurückzugewinnen. Aber die Erinnerungen waren nicht gestorben. Rache. Um die Verbrechen der Vergangenheit zu ahnden.
Aber Drake – oder ein Zeitgenosse Drakes – hatte zuerst geschossen.
Parsons fand den Weg in den Hauptkorridor allein, in dem die Porträts der Entdecker des sechzehnten Jahrhunderts hingen. Eine Weile studierte er sie. Einer nach dem anderen, dachte er. Drake wäre der erste gewesen und dann – Cortez? Pizarro? Und so weiter, der Reihe nach. Sobald sie mit ihren behelmten Truppen an Land gingen, würden sie ausgelöscht werden … die Eroberer, die Plünderer und die Piraten. Darauf eingestellt, eine passive, hilflose Bevölkerung vorzufinden, würden sie statt dessen von Angesicht zu Angesicht den berechnenden, intelligenten Nachkommen dieser Bevölkerung gegenüberstehen. Grimmig und bereit. Wartend.
Bestimmt war das eine Art von Gerechtigkeit. Grob und grausam. Aber er konnte seine stillschweigende Sympathie nicht unterdrücken.
Er kehrte zu Drakes Porträt zurück und betrachtete es genauer. Den strengen, sauber geschnittenen Bart. Die hohe Stirn. Runzeln an den äußeren Augenwinkeln. Die kühn gemeißelte Nase. Die Hand des Engländers zog Parsons Aufmerksamkeit besonders an. Spitz zulaufende, lange Finger, fast feminin. Die Hand eines Seemannes? Eher die Hand eines Edelmannes. Eines Aristokraten. Natürlich war das Porträt idealisiert.
Als er weiterging, entdeckte er ein zweites Porträt, diesmal einen Stich. Darauf war Drakes Haar lockig dargestellt. Und die Augen waren viel größer und dunkler gefärbt. Ziemlich fleischige Wangen. Ein weniger gekonnt gefertigtes Porträt, das aber vielleicht naturgetreuer war. Und auf diesem sahen die Hände sogar klein und schwach aus. Die Hände eines Schiffskapitäns?
Irgend etwas an diesem Porträt kam ihm bekannt vor. Die Konturen des Gesichts. Das lockige Haar. Die Augen.
Er betrachtete das Porträt eine lange Zeit, aber er konnte nicht eindeutig festmachen, was ihm nun bekannt vorkam. Schließlich gab er es widerwillig auf.
Er durchstreifte das gesamte Landhaus, bis er Helmar ausfindig machte. Er fand ihn, wie er sich mit mehreren seiner Brüder beriet, aber bei Parsons Anblick brach Helmar ab.
»Ich würde mir gern etwas ansehen«, begann Parsons.
»Natürlich«, gab Helmar etwas steif zurück.
»Und zwar den Pfeil, den ich aus Coriths Brust herausoperiert habe.«
»Man hat ihn nach unten gebracht«, sagte Helmar. »Ich kann ihn holen lassen, wenn Sie meinen, daß es wichtig ist.«
»Danke«, sagte Parsons. Zwei Diener wurden losgeschickt, und Parsons wartete angespannt. »Haben Sie ihn gründlich untersucht?« fragte er Helmar.
»Wozu?«
Er antwortete nicht. Endlich wurde ihm der Pfeil in einem durchsichtigen Beutel gebracht. Eifrig löste er die Umhüllung ab, setzte sich und betrachtete das Ding.
»Könnte ich meinen Instrumentenkoffer haben?« fragte er gleich
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