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Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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und küßte sie. Ihre dunklen und geheimnisvollen Augen blickten ihn an. Aber sie versuchte nicht, sich ihm zu entziehen.
    »Du hast dagegen protestiert«, sagte sie, als er sie losließ, »daß wir dich deiner Frau entführt haben.« Sie sagte es voller Feindseligkeit.
    Es fiel ihm schwer, sich zu verteidigen, deshalb sagte er nichts.
    »Tja«, sagte sie. »Es ist ohnehin absurd. Du wirst zurückkehren, ob nun eine Frau auf dich wartet oder nicht.«
    »Und du bist eine vollblütige Indianerin, und ich bin weiß«, fügte er ironisch hinzu.
    Sie sagte mit ruhiger Stimme: »Mach dich nicht über mich lustig, Doktor. Ich bin keine Fanatikerin. Wir verachten dich nicht.«
    »Seht ihr in mir einen Menschen?«
    »Oh, wenn man dich schneidet, blutest du eindeutig«, erwiderte sie und lachte – und das nicht einmal unfreundlich. Darauf mußte auch er lächeln. Plötzlich schlang sie die Arme um ihn und drückte ihn mit erstaunlicher Kraft. »Nun, Doktor«, meinte sie, »willst du mein Liebhaber sein? Entschließe dich.«
    Knapp sagte er: »Vergiß nicht, ich bin nicht steril.«
    »Das ist kein Problem für mich. Ich bin die Mutter Oberin. Ich habe zu jedem Teil des Quells Zugang. Wir haben unsere geregelte Prozedur. Wenn ich schwanger werde, kann ich die befruchtete Eizelle in den Seelenquader einbringen und …« – sie machte eine Geste der Resignation – »… schwupp. Für immer verschwunden. In der Rasse untergegangen.«
    »Gut, also dann«, sagte er.
    Sofort riß sie sich von ihm los. »Wer hat gesagt, daß du mein Liebhaber sein könntest? Habe ich dir die Erlaubnis gegeben? Ich war nur neugierig.« Sie wich vor ihm zurück, das hübsche Gesicht strahlte vor Fröhlichkeit. »Du willst sowieso keine dicke Squaw.«
    Er war schnell, und er fing sie. »Doch«, sagte er.
    Später, als sie in der Dunkelheit Seite an Seite lagen, flüsterte Loris: »Gibt es noch etwas, was du willst?«
    Parsons hatte sich eine Zigarette angezündet. Er rauchte schweigend, dachte nach und sagte dann:
    »Ja, das gibt es.«
    Die Frau neben ihm rollte sich näher heran, schmiegte sich an ihn und sagte: »Was ist es?«
    »Ich möchte in die Vergangenheit gehen und seinen Tod sehen«, erklärte er.
    »Den Tod meines Vaters? Zurück nach Nova Albion?« Sie setzte sich auf, wobei sie ihre langen, aufgelösten Haare aus dem Gesicht wischte.
    »Ich möchte dabei sein«, sagte er ruhig.
    Trotz der Dunkelheit konnte er fühlen, wie sie ihn anstarrte. Und er konnte ihren Atem hören, das lange, unregelmäßige Einatmen und dann den Strom, mit dem sie ausatmete. »Wir haben nicht die Absicht, es noch einmal zu versuchen«, murmelte sie. Jetzt glitt sie aus dem Bett, trippelte im Dunkeln barfuß umher und suchte nach ihrer Robe. Als Silhouette stand sie vor dem schwachen Licht des Fensters, knöpfte die Robe zu und band die Schärpe.
    »Versuchen wir es«, sagte er.
    Sie antwortete nicht. Aber er wußte intuitiv und mit völliger Gewißheit, daß sie es versuchen würden.
     
    Gegen Morgen, als draußen das erste trübe Grau erschien und durch die Vorhänge in das Apartment hereinspähte, saßen sich Loris und er an einem kleinen Tisch mit Glasplatte gegenüber, auf dem eine Kaffeekanne aus rostfreiem Stahl, Porzellantassen und -Untertassen und ein überquellender Aschenbecher standen. Mit etwas müdem Gesicht, aber trotzdem noch energisch und vital, sagte Loris:
    »Weißt du, deine Bereitschaft, dies zu tun … Dein Wunsch, dies zu tun … Er hat mich verwirrt, und ich habe über unseren ganzen Plan nachgedacht.« Rauch wehte von ihren Lippen. Sie legte die Zigarette ab und rieb ihren Hals. »Ich frage mich, ob wir recht hatten. Fast zu spät, sich das zu fragen, nicht wahr?«
    »Ein Paradoxon«, sagte er.
    »Ja. Wir können die Weißen ausrotten, indem wir einen Weißen dazu bringen, uns zu helfen. Aber das war uns schon klar, als wir damit begannen, dich zu beobachten.«
    »Aber zu der Zeit habt ihr nur vorgehabt, von meinem speziellen Talent Gebrauch zu machen. Jetzt …« Was war es jetzt? Er dachte: mehr die ganze Person. Ich als Individuum, nicht als Arzt. Die Person, nicht das Können. Weil ich das hier wissentlich tue. Absichtlich. Im vollen Bewußtsein des Sachverhalts.
    Das ist meine Entscheidung.
    »Ich möchte dich etwas fragen«, sagte er. »Angenommen, ihr habt Erfolg. Würde das nicht die ganze Geschichte ändern? Würde Drakes Tod nicht uns alle auslöschen – Produkte eines Vorganges, der Drake umfaßt? Dich, mich, jeden einzelnen

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